Der Tag an dem ich erwachte
Ryan, es ist mir egal, was in jener Nacht auf der Yacht passierte. Meine Vergangenheit, Greg… Alles ist mir egal! Geh nicht, lass es bleiben. Wir sind doch glücklich, oder etwa nicht?“
„Nein, Gail“, sagte er bestimmend und befreite sich aus meinem Griff. „ Mir ist es nicht egal. Und weißt du, wieso nicht?“ Ich schüttelte traurig mit dem Kopf. Ich wollte nicht, dass er ging. Dass er an den Ort meiner Vergangenheit reiste. Dass er versteckte Geheimnisse herauskramte, vor denen ich eine dermaßen große Angst hatte, dass sie mir den Atem raubte.
„Du darfst mich dann auch wieder Holly nennen, für immer“, spielte ich meinen letzten Trump f aus, wobei mir selbst klar war, wie kindisch es klang.
„Ich will dich heiraten, Gail “, betonte er meinen richtigen Namen mit Nachdruck. „Es ist mein Ernst. Ich will mit dir zusammen sein, bis dass der Tod uns scheidet, was hoffentlich nicht so schnell passieren wird. Ich will eine Familie mit dir gründen, ich will Kinder. Eines Tages auch Enkelkinder, verdammt noch mal! Ich will ein ganz normales Leben mit dir führen. Dich hier, in diesem abgeschiedenen Häuschen zu verstecken, kann man nicht als ein normales Leben bezeichnen, es wäre falsch und deiner nicht würdig. Ich mache keine halben Sachen, Gail. Wir werden rechtmäßig heiraten, mit allem drum und dran, ich werde ein Fest für dich organisieren, das du nicht so schnell wieder vergießt, nicht einmal im Fall einer Amnesie“, lächelte er schief. „Du bekommst alles, was dir zusteht, ein schönes weißes Kleid mit einem Schleier, so lang, dass es bis zum Eingang der Kirche reichen wird, wenn ich dich zum Altar führe. Eine Feier mit vielen Gästen, mit einem riesigen Büffet, Erwähnungen in den Zeitungen, Hochzeitsgeschenken und vielen weißen Tauben, die hoffentlich allesamt auf den Kopf von unserem Ehrengast Mills fleißig kacken werden. Und eine rechtmäßige Heiratsurkunde. Du sollst ein erfülltes Leben führen, Freundschaften schließen, einen Fuß in der Gesellschaft fassen, dich weiterentwickeln. Du bist eine überdurchschnittlich intelligente junge Frau, Gail, vielleicht möchtest du eines Tages sogar studieren. Es sollen dir alle Türen offen stehen. Und deswegen ist es auch so wichtig, dass wir deine Vergangenheit aufklären und deine Unschuld ein für alle Mal beweisen. Wir brauchen deine vollständigen Papiere, deine Geburtsurkunde, damit wir heiraten können. Deswegen fahre ich jetzt los.“
Ich beobachtete schweigend, wie er sich Schritt für Schritt in Pedro verwandelte und versuchte, meine Tränen zurückzuhalten. Ich konnte mich, weiß Gott, nicht an vieles erinnern, doch irgendetwas machte mich sicher, dass Greg mich nie als eine überdurchschnittlich intelligente Frau bezeichnet hatte. Sein liebes Mädchen nannte er mich, sein süßes, kleines Frauchen. Die beste Köchin der Welt, seine Prinzessin… Hatte er mich jemals dazu ermutigt, mich weiter zu entwickeln, zu studieren, Freundschaften zu schließen? Er hatte es mir zwar nicht ausdrücklich verboten, doch ich wusste instinktiv, dass er es nicht gutgeheißen hätte. Nein, er wollte mich für sich allein haben, genau wie einst meine Mutter. Ich hatte die männliche Version meiner Mutter geheiratet, besitzergreifend, rechthaberisch und egoistisch. Über alle Maßen manipulativ. Und betrügerisch! Nun waren alle beide tot. Aber ich war so lebendig wie noch nie zuvor. Und ich wollte leben, endlich richtig leben!
„Ich danke dir für alles, was du für mich tust, Ryan“, sagte ich leise und ernst, bevor Ryan alias Pedro die Tür hinter sich schloss. Ich wollte schon meinen Tränen freien Lauf lassen, als er die Tür wieder aufmachte, seine künstliche lange Nase hineinsteckte und sagte: „Ich mag meinen Apfelkuchen sehr süß und schön fluffig, mit extra vielen Rumrosinen. Und meine Frau mag ich sehr fröhlich mit einer extragroßen Portion Optimismus. Nicht heulen, Schatz!“, ermahnte er mich. Ich schluckte brav meine Tränen herunter und machte mich daran, unsere Koffer zu packen. Dabei wurde mir erst bewusst, dass ich Ryan gar nicht danach gefragt hatte, wohin wir fahren und wie lange wir dort bleiben würden. Aber da ich nun mal eine „überdurchschnittlich intelligente Frau“ war (ich ließ mir diese Bezeichnung noch mal genüsslich auf der Zunge zergehen), lag es auf der Hand: Wir fuhren natürlich nach Bedford, wohin denn sonst? Und blieben dort nicht länger als ein paar Tage. Obwohl Mills durch die liebliche
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