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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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gehört? Ich sterbe vor Hunger!“ Doch, als er mich sah, erstarb sein Lächeln, während ich mich um ein gequältes Lächeln bemühte, das eher einer Schmerzgrimasse glich. „Was ist los, Gail?“, fragte er besorgt, „ist etwas p assiert?“ Ich schüttelte den Kopf und weinte leise, unfähig, ein Wort herauszubringen. „Du zitterst ja“, stellte er fest, „Gail, Liebling, sprich mit mir! Hast du wieder schlecht geträumt?“ Ich schüttelte erneut mit dem Kopf. Er sah mich schweigend an, ging in die Küche, entkorkte eine Flasche Wein und goss uns zwei Gläser randvoll ein. „Trink einen Schluck und beruhige dich, Schatz“, sagte er leise. Ich werde mich jetzt von Pedro freimachen und schnell duschen, weil ich schon den ganzen Tag unter seinem Körper schwitze. Danach reden wir weiter.“ Ich lauschte dem Geräusch des fließenden Wassers und trank den Wein in einem Schluck aus. Eine angenehme Wärme breitete sich in meinem Magen aus und vermittelte mir plötzlich ein eigenartiges Taubheitsgefühl. Was hatte ich schon zu verlieren? Dein Leben, dachte ich träge und stellte mit einem masochistischen Amüsement fest, dass es mir nicht sonderlich viel ausmachte. Gleichzeitig gratulierte ich mir im Stillen zu meinem hervorragenden Männergeschmack. Womöglich hatte meine Mutter, Gott hab sie selig, recht. Die Männer waren alle gleich, einer wie der andere, man konnte ihnen nicht trauen. Hätte ich bloß auf sie gehört! Als ein müder, herrlich nach dem frischen Badeschaum riechender Ryan sich endlich zu mir auf die Couch gesellte und einen tiefen Schluck aus seinem Weinglas nahm, fragte ich ihn unvermittelt: „Hast du Greg getötet?“ Seine Augen weiteten sich vor Schock, und er stellte sein Glas eilig ab, um es nicht fallen zu lassen.
    „Gail? Wie war das eben?“ Anscheinend fragte er sich, ob er sich verhört hatte.
    „Hast du Greg getötet, Ryan?“, wiederholte ich meine Frage laut und deutlich. Er zuckte zusammen, als hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst, sah mich an und blinzelte mehrmals.
    „Was soll das, Gail? Was für eine Laus ist dir über die Leber gelaufen?“
    „Ich war im Wald spazieren“, erwiderte ich ruhig, „Pilze und Kräuter sammeln. Dabei fiel mir der schöne große Baum auf, und die Kreuzmarkierung darunter.“
    „Und du gabst deiner Neugierde nach“, beendete er meinen Satz. Ich nickte und vermied es, ihn anzusehen. Er machte Anstalten, meine Hände zu ergreifen, doch ich entzog sie ihm, bevor ich ihm direkt in die Augen sah und meine Frage wiederholte.
    „Hast du ihn getötet, Ryan? Wirst du auch mich töten?“ Er stand auf und ging im Zimmer auf und ab wie ein Tiger, der in seinem Käfig eingesperrt war. Wütend und verzweifelt. Er raufte sich die Haare, machte das Fenster weit auf und schnappte nach der frischen Abendluft, als hätte er Angst zu ersticken. Schließlich drehte er sich um und sah mich an. Noch nie hatte er mich so angesehen. In seinen Augen brannte eine Wut, die mir einen heftigen, imaginären Stoß in die Magengrube verpasste, bevor sie einem unsagbaren Schmerz der Enttäuschung wich.
    „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Gail“, sagte er mit einer stark zitternden Stimme. „Von Anfang an sprachen alle Indizien für deine Schuld, doch von Anfang an hatte ich an dich geglaubt. Dabei kannte ich dich nicht mal. Ich hatte alles, was mir lieb und teuer war, für dich aufs Spiel gesetzt, ohne eine Gegenleistung von dir zu erwarten, außer, dass du mich liebst. Und mir vertraust. Plötzlich weinte er. Er schluchzte laut, es waren fremdartige, raue Geräusche, die mein Herz fast zum Stillstand brachten. „Ich hatte mich noch nie in einem Menschen so getäuscht, Gail“, schluchzte er. „Du traust mir tatsächlich zu, einen Mord begangen zu haben? Nach allem, was zwischen uns war?“ Er setzte sich auf den Boden in der Ecke des Wohnzimmers, hielt sich die Hände vors Gesicht und zitterte vor lauter Weinen. Oh mein Gott, was hatte ich nur getan?
    „Ryan“, sagte ich leise, „Ryan, bitte weine doch nicht! Was hättest du denn an meiner Stelle gedacht? Wieso hast du mir verheimlicht, dass du Greg kanntest?“
    „ Weil ich ihn nicht kannte !“, schrie er mich an, stand auf und ging wieder auf und ab. „Ich hätte es dir schon erzählt, irgendwann. Nun erzähle ich es dir jetzt, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es überhaupt noch etwas zwischen uns gibt, wofür es sich zu reden lohnt. Dein Mann, oder in welcher Beziehung er auch immer zu dir stand,

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