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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Zelte aus Fellen über einem Gerüst aus Holzstangen –, zwischen denen ein starkes Feuer loderte. Fünf oder sechs Männer, von denen einer die Trommel schlug, hockten singend am Feuer, während die Frauen das Abendessen zubereiteten.
     Mehrere Kinder wollten Rose entgegenlaufen, blieben aber schüchtern stehen, als sie ihren Begleiter sahen. Sie lachte. »Bei Fremden sind sie unsicher.«
     Rose ging auf die Kinder zu, die sich lachend und schwatzend um sie drängten. Sie sprach Apache mit ihnen und winkte dann Dillinger zu sich heran. »Ich möchte Sie mit jemand bekannt machen.«
     Sie führte ihn zu dem größten der drei Wickiups. Als sie herankamen, wurde die Fellklappe über dem Eingang zurück­ geschlagen. Der Mann, der ins Freie trat, wirkte unglaublich zerbrechlich. Er trug Leggings aus Hirschleder, einen Lenden­ schurz und ein blaues Flanellhemd. Sein langes graues Haar
    war mit einem Band zusammengefaßt.
     Das Gesicht des Alten war das Eindrucksvollste an ihm. Er hatte eine Adlernase, schmale Lippen und pergamentfarbene Haut; aus seinem Gesicht sprachen Charakterstärke, Intelligenz und Toleranz. Es hätte das Gesicht eines Heiligen oder eines großen Gelehrten sein können. Jedenfalls ein nach allen Maß­ stäben bemerkenswerter Mann.
     Rose küßte ihn zur Begrüßung leicht auf beide Wangen, bevor sie sich an Dillinger wandte. »Das ist mein guter Freund Nachita – Häuptling der Chiricahuas.«
     Dillinger streckte ihm die Hand entgegen und hatte das Ge­ fühl, sie sei in einen Schraubstock geraten. Der Alte sprach überraschend gutes Englisch; seine Stimme war ein tiefer Baß, der einem Riesen Ehre gemacht hätte.
     »Sie sind Jordan, Riveras neuer Mann?«
     »Richtig«, bestätigte Dillinger.
     Nachita ließ seine Hand nicht gleich los, aber sein Blick verfinsterte sich sekundenlang. Dann gab der Alte seine Hand frei, und Dillinger drehte sich nach dem Feuer um.
     »Ein schöner Lagerplatz.«
     Hinter ihm hob Nachita einen dürren Zweig auf, zerbrach ihn mit einem Ruck und imitierte dadurch das typische Klicken, mit dem der Hammer eines Revolvers zurückgezogen wird. Dillinger griff nach seiner Pistole, warf sich geduckt herum und hatte seine Waffe wie durch Zauberei schußbereit in der Hand.
     Nachita lächelte, wandte sich ab und verschwand in seinem Wickiup. Diese Lektion war für Rose bestimmt gewesen. Hier war ein Mann, der mit Pistolen umging wie andere Leute mit ihren Händen.
     Dillinger sah, daß Rose ihn ernst beobachtete. Feuerschein flackerte über ihr Gesicht. Er lachte verlegen und steckte den Colt weg.
     »Ein merkwürdiger Sinn für Humor«, meinte er.
     Rose antwortete nicht gleich. »Wir müssen ins Hotel zurück«, erklärte sie ihm dann. »Es gibt gleich Abendessen.«
     Dillinger nahm ihren Arm, als sie das Lager verließen. »Wie alt ist er?«
     »Das weiß niemand genau, aber er ist mit Victorio und Gero­ nimo geritten, das steht fest.«
     »Er muß ein großer Krieger gewesen sein.«
     Sie blieben auf einem kleinen Hügel neben einer eingestürz­
    ten Adobemauer stehen. »Im Jahre 1881 ist der alte Nana mit fünfzehn Kriegern nach Arizona eingefallen«, berichtete Rose. »Er ist damals schon achtzig gewesen. Nachita hat zu diesen fünfzehn Kriegern gehört. Sie haben in kaum zwei Monaten über tausend Meilen zurückgelegt, haben die Amerikaner achtmal besiegt und sind unverletzt nach Mexiko heimgekehrt, obwohl über tausend Soldaten und Hunderte von Zivilisten hinter ihnen her waren. Das beweist, was für ein Krieger Nachita gewesen ist.«
     »Aber zuletzt sind die Apachen doch besiegt worden, wie vorauszusehen gewesen war.«
     »Die Fortsetzung eines Kampfes, der nur mit einer Niederlage enden kann, erfordert den größten Mut«, sagte sie einfach.
     Merkwürdig, daß sie das sagte. Dillinger hatte sich gelegent­
    lich vorgestellt, wie er eines Tages in eine Bank stürmte, die er nicht sorgfältig genug ausbaldowert hatte, und in eine Falle geriet, weil alle Kassierer FBI-Agenten waren, die ihn mit Pistolen statt Banknotenbündeln in den Händen erwarteten. Er hatte sich vorgestellt, wie er rückwärts gehend die Bank verließ und mit zwei Maschinenpistolen um sich schoß, daß die FBIAgenten wie Schießbudenfiguren umkippten. Dillinger war schon dreimal in Filmen aufgestanden und hatte das Kino verlassen, wenn abzusehen gewesen war, daß der Gangster zuletzt umkommen würde.

    Nach dem Abendessen ging John Dillinger in die Bar und
    setzte sich

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