Der Tag, an dem John Dillinger starb
Brennholz gemacht und ein Feuer entzündet. Als es hell loderte, montierten sie ein Wagenrad ab, banden den schreienden Felipe darauf und ließen ihn bei lebendigem Leibe verbrennen. Wer zu Rivera gehörte, verdiente es nicht besser.
Fallon hockte an die Deichsel gebunden in der Sonne, wartete darauf, daß die Reihe an ihn kam, und ließ mutlos den Kopf hängen.
Er hob den Kopf, als Hufschläge herandonnerten, und sah Ortiz, dem ein Dutzend Krieger folgten, durch den Kessel auf sich zureiten. Ortiz stieg vom Pferd, trat vor den Amerikaner hin und schob seine Männer, die sich aufgeregt um ihn dräng ten, beiseite. Im Gegensatz zu den anderen Apachen trug er keine Kriegsbemalung, aber Fallon sah, daß er ein rotes Fla nellhemd und ein gleichfarbenes Stirnband trug. Das genügte.
Der Alte fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Juan?« krächzte er. »Was soll das alles?«
»Juan Ortiz ist tot«, antwortete der Indianer. »An seine Stelle ist Diablo getreten, verstanden?«
»Diablo?« wiederholte Fallon heiser.
»Richtig!« bestätigte Ortiz. »Wiederhol jetzt meinen Namen. Ich will, daß du weißt, daß es Juan Ortiz nicht mehr gibt.«
»Diablo«, flüsterte der Amerikaner.
»Ausgezeichnet!« Ortiz nickte zufrieden, zog sein Messer und zerschnitt damit die Lederriemen, mit denen Fallon gefes selt war.
Fallon kam schwankend auf die Beine. Ein Apache brachte ihm ein Pferd; zwei Indianer hoben ihn darauf. Während er mit kraftlosen Fingern den Zügel hielt, legte Ortiz ihm eine Hand auf den Arm.
»Du berichtest Rivera, daß ich seine Tochter gefangenhalte, Alter. Dafür lasse ich dich leben, verstanden?«
Fallon trieb das Pferd an und galoppierte davon.
11
Als Dillinger auf den Balkon trat, erschien die Sonne eben im Osten über den Bergen. Rose hatte ihn bei sich übernachten lassen, aber er hatte auf der Couch in ihrem Wohnzimmer schlafen müssen. Er atmete eine Zeitlang in tiefen Zügen die frische Morgenluft ein, bevor er nach unten ging. Er hatte schon als kleiner Junge in Indiana gewußt, was Liebe war, denn er hatte seinen Hund geliebt. Aber was er jetzt empfand, unterschied sich auffällig von dem, was er bei den vielen anderen Frauen in seinem Leben empfunden hatte. Er war so glücklich, daß ihm das Herz in der Brust weh tat.
Die Bar war leer, aber aus der Küche drangen Arbeitsgeräu sche. Dort sang eine Frau leise vor sich hin. Dillinger lehnte sich an den Türrahmen. Rose stand in Reitkleidung am Herd.
»Ich weiß nicht, was du da brutzelst«, sagte er, »aber es riecht verdammt gut.«
Sie lächelte ihm über die Schulter hinweg zu. »Leider sind mir die Eier ausgegangen. Du wirst dich mit aufgebratenen Bohnen zufriedengeben müssen. Der Kaffee steht dort drü ben.«
Er schenkte sich eine Tasse ein.
»Fährst du wieder zum Bergwerk hinaus?« erkundigte sie sich.
»Falls Rojas oder Rivera mich wieder zu schnappen versu chen …«
»Ich hab gestern abend gesehen, daß du einen Revolver mit gebracht hast.«
»Er hat Rojas gehört. Aber der Kerl hat bestimmt längst einen anderen.« Dillinger machte eine Pause. »Rose, ich möchte dir etwas anvertrauen.«
»Mein Onkel sagt immer, Frauen dürfe man nicht trauen.«
»Zu dir hab ich Vertrauen. Als Junge bin ich in einem Erzie
hungsheim gewesen. Das ist praktisch ein Jugendgefängnis. Und später hab ich dann richtig gesessen. Ich hab neun Jahre hinter Gittern verbracht – kannst du dir vorstellen, wie endlos lange das ist? Ich hatte keinem Menschen etwas zuleide getan. Ich hatte nicht viel gestohlen. Aber ich schwöre dir, daß ich niemals mehr neun Jahre oder auch nur neun Tage in irgendei nem Gefängnis verbringen werde! Rivera weiß, wer ich bin.«
»Besser als ich?«
»Er kennt meine Identität. Deshalb können er und ich nicht am gleichen Ort leben. Ich muß fort von hier.«
»Das ist traurig für mich.«
»Es sei denn, du könntest dich dazu entschließen, mit mir zu kommen.« Damit war die Katze aus dem Sack. Er beobachtete Rose; er blickte in ihre Augen, diese schönen, etwas schrägste henden großen Augen.
»Dieses Hotel ist alles, was ich auf dieser Welt besitze«, stellte Rose fest. »Da ich’s nicht mitnehmen kann, muß ich hier bleiben. Auch ich bin gewissermaßen eine Gefangene.«
Chavasse kam herein und stellte einen großen Steingutkrug auf den Küchentisch. »Ich möchte bloß wissen, was mit den Indianern los ist! Sie sind alle
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