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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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irgendwann flog mit einem Knall die Tür auf, und Leo schob ihr die völlig aufgelöste und plärrende Mia ins Bett. Ihre Augen waren rot und verschwollen, aus ihrer Nase tropfte es und ihr Mund war völlig verzerrt. Außerdem roch sie leicht säuerlich.
    „Guck mal, da ist die Mama“, sagte er. „Hallo, lange nicht gesehen, was? Es tut mir leid, ma perle, aber sie hat gerade gespuckt. Kein Wunder bei dem, was sie vorhin verdrückt hat. Ich hab den Kram schon weggeputzt und wollte sie wieder ins Bett stecken. Aber du siehst ja, was los ist: Sie will unbedingt zu dir.“
    Bei Claudia wollte Mia aber auch nicht bleiben. Stattdessen reckte sie René die Arme entgegen und jammerte: „Appa! Appa! Appa!“
    „Leute, ich geh jetzt wieder“, sagte Leo. „Mir ist so was von sauschlecht. Ich könnte kotzen, verflucht!“
    „Komm her, meine Süße“, sagte René, nachdem er wieder weg war. Kaum lag die Kleine in seinen Armen, beruhigte sie sich auch schon. Sie sah wie ein flauschiges, überzartes Küken aus, als sie sich an ihren Papa kuschelte und mit den letzten Schluchzern kämpfte. Da wurde Claudia von einer wilden Zärtlichkeit gepackt und rutschte an Mia heran, bis sie ihr Herz direkt gegen ihre Brust pochen spürte. Gerührt und bewegt hörte sie zu, wie René der Kleinen mit leiser Stimme von dem Plüschkrokodil erzählte, das er als Kind besessen hatte:
    „Es heißt Kroko, und es ist das größte und mutigste Krokodil, das du dir vorstellen kannst. Es hat mir ganz allein gehört, und es hat mich immer beschützt. Im Schrank war sein Zuhause, zwischen den Socken. 16 Jahre hat es da gewohnt. Findest du das süß? Pass auf, morgen früh holen wir es vom Dachboden, und dann gehört es dir, dann passt es immer auf dich auf.“
    So lagen sie zu dritt da und ließen sich nach und nach von der sanftmütigen und versöhnlichen Atmosphäre im Schlafzimmer einhüllen.
    Am nächsten Vormittag wurde Claudia gegen zehn Uhr von der Türglocke geweckt. Sie quälte sich schlaftrunken aus dem Bett, zog ihren Bademantel an und ging in den Flur, um dort den Türsummer zu drücken.
    Wenig später stand ein Paketbote vor ihrer Wohnung, blickte auf seine Unterlagen und sagte: „Ich hab hier eine größere Lieferung. Sind Sie René Sommerfeldt?“
    „Nicht dass ich wüsste“, sagte sie.
    „Können Sie die Sendung trotzdem annehmen?“
    „Ja.“
    Diese Mitteilung schien ihn sehr zu erleichtern, denn er drückte ihr sofort einen großen und schweren Karton in die Arme. Sie setzte ihn auf dem Boden ab, wollte unterschreiben und die Tür wieder schließen. Aber der Mann hinderte sie daran, indem er seinen Fuß auf die Schwelle platzierte und sagte: „Moment, da kommt noch mehr.“
    „Jui“, sagte sie nur.
    Inzwischen war auch René wach geworden und stellte sich neben sie. Gemeinsam sahen sie zu, wie der Bote weitere Pakete aus dem Fahrstuhl wuchtete und in ihren Wohnungsflur stapelte.
    „Die sind von Tanja“, sagte René und fuhr, an den Mann gewandt, fort: „Wir würden Ihnen ja gern helfen, aber wir dürfen beide nichts Schweres heben. Wie viele sind es denn noch?“
    „Viele“, sagte der nur und zog einen Flunsch.
    Nach dem zehnten Paket war endlich Schluss. René unterschrieb den Lieferschein, bedankte sich bei dem Mann und schloss die Tür hinter ihm zu.
    Dann standen sie eine Weile im Flur und sahen die Kartons unschlüssig an. Schließlich holte René einen Cutter aus der Küche, schnitt den ersten auf und inspizierte den Inhalt.
    „Meine Modelleisenbahn“, sagte er mit einem ungläubigen Lächeln auf den Lippen. „Die stand die ganze Zeit bei Tanja auf dem Dachboden.“
    „Ich hatte auch mal eine“, sagte Claudia. „Mit sieben.“
    „Echt? Ich hab meine, seit ich fünf war, und sie war mein Baby und mein ganzer Stolz. Einmal hab ich sogar an der Großen Schau der kleinen Bahnen in der Kreisstadt teilgenommen. Da hat’s überall gerattert, getutet und geraucht, und man konnte sich viele Tipps bei den anderen Eisenbahnern holen. Ich glaub, es gibt da noch ein Foto von mir, mit Mütze, Kelle und Pfeife auf dem Siegerpodest. Ich bin Zweiter geworden.“
    In den nächsten Minuten wühlte er wie ein kleiner Junge in den Kartons herum, beförderte seine ehemaligen Schätze zutage und begutachtete sie mit leuchtenden Augen und vor Aufregung rot glänzenden Backen. Während er Claudia einen begeisterten Vortrag über Typennummern, Baujahre, und weitere Merkwürdigkeiten hielt, gähnte sie hinter vorgehaltener Hand

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