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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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stellen.“ Er machte eine Kunstpause und schenkte sich erneut nach. Dann hob er den Kopf, sah Claudia und René direkt in die Augen und sagte: „Ich hab in meinem Leben nur eine einzige Sache auf die Reihe bekommen: die mit euch. Und seit das so ist, hab ich es endlich kapiert: Von französischer Lyrik allein werde ich nicht satt, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Deshalb möchte ich mir ein zweites Standbein aufbauen.“
    „Du wirst Koch“, sagte Claudia.
    „Wie kommst du denn darauf?“
    „Weil du immer aufblühst, wenn du am Herd stehst.“
    „Das stimmt. Aber noch mehr blüh ich auf, wenn ich mit Kindern zusammen bin. Deshalb werde ich ab November ich einen Wochenendkurs für angehende Tagesmütter und -väter besuchen. Danach bist du mich endlich los, ma perle. Vielleicht verdiene ich eines Tages so viel Geld, dass ich aus meiner Hundehütte da unten rauskomme. Ehrlich gesagt träume ich sogar von einem kleinen Haus mit Garten. Und mein absoluter Traum wäre es, dir alles zurückzuzahlen, was du in mich investiert hast.“
    Claudia sah ihn ungläubig an. Leo wollte Tagespapa werden. Er träumte von einem Häuschen im Grünen und von einem eigenen Leben. Es waren doch Milliarden Dinge auf der Welt möglich, von denen man vorher meinte, dass sie nicht möglich wären.
    Dann fand sie endlich die Sprache wieder und sagte: „Leo, hör auf damit! Sonst heul ich gleich los. Du hast so viel für uns getan, und du tust es noch.“
    „Nein wirklich, ihr beiden“, sagte er, zwischen René und ihr hin und her sehend und die Augen schwappvoll mit Tränen. „Ihr seid meine großen Vorbilder. Weil ihr euch die Tür zu einem neuen Leben aufgestoßen habt. Das hat mich unglaublich beeindruckt, das will ich auch versuchen. Aber keine Sorge, ich werde mich weiter um Mia kümmern. Sie ist doch meine Süße, und seit es sie gibt, ist mein Leben so reich, so richtig, so logisch. Manchmal kommt es mir vor, als wenn ich erst jetzt richtig auf der Erde angekommen bin.“
    Die drei Erwachsenen drehten die Köpfe herum und sahen das Kind an, das gerade nach einem weiteren Puddingschälchen griff.
    „Langsam, mein Engel, langsam“, sagte René.
    „Okay, das war’s jetzt aber zu dem Thema“, sagte Leo abrupt, schob seinen Stuhl zurück und stand auf.
    Nachdem er abserviert hatte, kündigte er Claudia und René noch eine Überraschung an. Eine, für die Mia und er wochenlang geübt hatten, und eine, die sie garantiert umhauen würde. Dann hob er die Kleine aus dem Hochstuhl, drückte ihr eine Papierrolle in die Hand und schickte sie damit zu ihren Eltern. Claudia nahm sie entgegen, entfernte die Geschenkschleife und entrollte den Bogen.
    Mia hatte mit kräftigen Filzstiftstrichen ein Bild für René und sie gemalt, und als sie das sahen, mussten sie synchron nach Luft schnappen: Eierkopfmama und Eierkopfpapa hielten sich an den Händen fest, und beide hatten ein Loch im Bauch.
    Aber das war nur der erste Teil der Überraschung gewesen. Der zweite bestand darin, dass Leo der Kleinen eine Luftschlangengirlande als Federboa um die Schultern hängte und sie aufforderte: „Sing, ma puce, sing!“
    Zuerst zierte Mia sich noch ein bisschen und rümpfte die Nase. Aber als sie dann mit weit aufgerissenen Augen und wildem Kindermund loslegte, haute es Claudia und René tatsächlich um. Sie krähte nämlich die ersten drei Strophen von My Way. Sie kam im Deutschen kaum über Babysprache hinaus, aber sie sang Frankie Boy wie eine von den ganz Großen: auf Englisch, fast fehlerfrei und mit einer Inbrunst, die ihresgleichen suchte.
    Als sie schließlich geendet hatte, brach sie in ein hinreißendes, glucksendes Lachen aus und sah ihre Eltern erwartungsvoll an. Da war es um Claudias Selbstbeherrschung geschehen. Sie umarmte ihr süßes Mädchen, drückte es an sich und spürte, wie ihr Tränen übers Gesicht rannten. Sie heulte wirklich aus allen Rohren, und nicht nur vor Rührung.
    Als sie später zu Bett gingen, verhielt René sich merkwürdig still. Es passte ihm wohl nicht, dass Leo heute bei ihnen nächtigen würde und im Arbeitszimmer Quartier bezogen hatte.
    „Soll er doch mit am saubern Affn hoamkemma“, grantelte er.
    „In diesem Zustand kann er nicht mit dem Fahrrad nach Hause fahren“, sagte sie. „Erst muss er seinen Rausch ausschlafen.“
    René drehte ihr nur die Schulter zu und reagierte nicht mehr darauf
    Es dauerte lange, bis Claudia endlich wegdöst war. Sie hatte auch nicht viel von der Nacht, denn

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