Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
langen Gespräch mit ihrer Therapeutin hatten sie beschlossen, sich damit abzufinden.
Von da ab ging es besser.
Deshalb war Claudia auch total entspannt, als an einem wunderschönen Freitagabend das Telefon klingelte. René legte sein Patientenprotokoll beiseite und ging an den Apparat. Dann hielt er Claudia den Hörer hin, formte mit den Lippen das Wort Harald und schnitt sich zum Spaß die Kehle durch. Sie konnte sich schon denken, was ihr Chef von ihr wollte, und richtig. Er fragte sie zum wiederholten Mal, ob sie nächste Woche nicht doch mit zum Global Meeting nach Chicago kommen könne. Der Flug sei schon gebucht.
„Da warst du wohl etwas übereifrig, Harald“, sagt sie. „Ich bin noch bis Sonntag krankgeschrieben, und das hast du gewusst.“
„Du hast schon die Messe geschwänzt, als du mit René auf Kur warst.“
„Nur zu deiner Information: Das war eine Reha.“
„Und wennschon. Ich geh einfach davon aus, dass ihr euch da wunderbar erholt habt. Okay, dir sind kürzlich die Abnäher geplatzt. Aber jetzt sind sie wieder zusammengenäht worden, und wir fliegen doch erst Montag.“
„Ich komm nicht mit, Harald, das hab ich dir schon tausendmal gesagt.“
„Wo liegt dein Problem, Claudia? Als mir damals die Mandeln rausgenommen wurden, war ich schon nach drei Tagen wieder fit.“
„Wie schön für dich. Aber ich werde in nächster Zeit erst mal kürzertreten und mich freuen, dass ich die hässliche Beule an meinem Bauch los bin. In ein paar Wochen bin ich wieder für dich und die Firma da, aber nicht jetzt und nicht am Montag.“
Harald meckerte natürlich weiter und behauptete, dass sie René immer ähnlicher werde. Dabei habe der doch ein Stück von ihr übernommen und nicht umgekehrt. Wenn sie nicht endlich wieder mehr Umsatz zustande bringe, könne er für nichts mehr garantieren.
„Wenn du ein Sabbatical willst, musst du das offiziell beantragen“, sagte er. „So lange erwarte ich die volle Leistung von dir. Sonst musst du gehen.“
Darüber konnte Claudia nur lachen. Sie war sein bestes Pferd im Stall. Er konnte und würde sie nicht rausschmeißen, und wenn er hundertmal das Gegenteil behauptete.
Irgendwann steckte René sich den Zeigefinger in den Mund und gab ihr damit zu verstehen, dass sie das Gespräch beenden solle.
„Harald, ich werde dir in der nächsten Zeit nicht im gewohnten Umfang zur Verfügung stehen. Gewöhn dich dran oder lass es bleiben. Du, ich muss jetzt Schluss machen. Mein Exmann ist da und will eine große Genesungsparty für René und mich schmeißen. Ich wünsch dir eine schöne Reise und viel Spaß in Chicago.“
Nach dem Telefonat sah Claudia auf einen Sprung in der Küche vorbei, denn dort war Leo am Wirbeln.
Er gab inzwischen die perfekte Hausfrau und Mutter ab, kümmerte sich rührend um Mia, kaufte ein, fütterte die Waschmaschine, trocknete und bügelte die Sachen und stapelte sie in ihre Schränke …
Aber meistens stand er am Herd und kochte. Er schmurgelte dies, brutzelte das und probierte jenes. Mittlerweile kannte er sich mit Schonkost so gut aus, dass er sich ohne Weiteres als Diätkoch hätte verdingen können. Sein besonderes Augenmerk galt auch der Küchenhygiene. Hand- und Geschirrtücher mussten beinahe stündlich durch klinisch reine Exemplare ersetzt werden. Und weil Mikroorganismen sich rasend schnell in Lebensmittelresten ausbreiten konnten, bereitete er die Mahlzeiten grundsätzlich frisch zu. Während des Garprozesses nahm er sie gefühlte zwanzigmal pro Minute in Augenschein, um sich zu vergewissern, dass auch ja nirgendwo noch eine Bazille auszumachen war, die René schaden könnte. Und wenn er doch eine entdeckte, legte er die Topf- und Pfannendeckel gleich wieder auf und hängte noch zehn Minuten Koch- oder Bratzeit dran, um sie auch sicher zu töten.
Er, der früher so eine faule Socke gewesen war, hatte sein eigenes Leben inzwischen fast völlig aufgeben und war nur noch für seine Ersatzfamilie da. Und die war seinen gewetzten Messern ausgeliefert, ob sie wollte oder nicht.
Manchmal spürte Claudia, dass René kurz vorm Ausflippen war. Er hatte Leo zwar 12 Kilo mehr auf den Rippen zu verdanken, aber er konnte nicht billigen, dass da immer noch eine tiefe Vertrautheit zwischen ihr und ihm war. Wenigstens war er jetzt so weit, dass er seinem Vorgänger nicht mehr die Nase brechen wollte. Wahrscheinlich würden die beiden Männer nie die besten Freunde werden. Aber sie respektierten sich, liebten dasselbe Kind und dieselbe
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