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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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rufen, bevor sein Rat zusammentrat, und tadelte mich in seiner halb witzelnden, halb ernsthaften Art, daß ich an der Aktion teilgenommen hatte.
    »Graubart«, sagte er, »du bist ein närrisches Huhn: Was hattest du in dem Gewühl zu suchen? Schön hätte ich dagestanden, wenn du mir vor Laon abgesegelt wärst, wo ich für dich Besseres weiß, als sich mit den Spaniern zu prügeln! Ich will, daß du nach Paris gehst, sobald Mansfeld mir nicht mehr auf die Pelle rückt.«
    »Was, Sire, Mansfeld?« sagte ich. »Mansfeld hat so viele Leute verloren und einen so großen Konvoi! Hat er denn noch immer nicht genug?«
    »Kann schon sein«, sagte Henri ziemlich besorgt.
    Und als nun die Ratsmitglieder in sein Zelt traten und ich mich zum Gehen anschickte, machte er mir zu meinem Erstaunen ein Zeichen zu bleiben.
    »Meine Herren«, sagte er, »heute morgen, vor Tag, berichteten zwei meiner Spione übereinstimmend, daß Mansfeld und Mayenne durch ihre Niederlage den Mut durchaus nicht verloren haben. Sie wollen, ganz im Gegenteil, Rache nehmen für ihre Verluste, mit ihrem Gros gegen uns marschieren und uns mit Nachdruck zur Aufgabe der Belagerung zwingen, sie warten nur noch auf Truppenteile, die in Kürze zu ihrer Verstärkung eintreffen müssen.«
    Ich sah, wie sprachlos hierauf die schon erwähnten tapferen Hauptleute waren – Biron, Givry, Marvault, Saint-Luc, Vignolles und zwei, drei andere, deren Namen ich nicht mehr weiß –, so als könnten sie es einfach nicht glauben, hatten sie doch gemeint, mit Mansfeld fertig zu sein. Doch wagte zunächst keiner, dem König zu widersprechen, denn es hatte sich bereits mehrmals erwiesen, daß seine Spione zuverlässig berichtet hatten, was sich in La Fère tat. Marschall von Biron jedoch, beleidigt in seinem Stolz, daß der Spanier sich durch ihn nicht besiegtfühlte, wollte sich damit nicht abfinden, ihm schwoll der Kamm.
    »Sire«, sagte er mit unglaublichem Hochmut, »Eure Spione sind Spitzbuben, die ihre Berichte aus dem Weinkrug schöpfen. Ich glaube ihnen kein Wort. Der Spanier ist auf der Straße von Laon nach La Fère von mir, Biron, geschlagen worden, und wer von Biron geschlagen ist, der kommt ihm kein zweitesmal in die Quere.«
    Es gab finstere Mienen hier und da, es gab heimliches Lachen, die anderen Hauptleute fühlten sich durch diesen Großprotz um ihren Anteil am Sieg betrogen, und auch ich muß sagen, je länger ich mir diesen Biron betrachtete, desto weniger gefiel er mir, vor allem seine sehr tief liegenden Augen nicht. Es war geradezu, als hätte er sie verbergen wollen, damit niemand lesen könne, was in seiner schwarzen Seele vorging. Der Gerechtigkeit halber sei jedoch angemerkt, daß Biron, als er acht Jahre darauf wegen Verrats am König und an der Nation in der Bastille enthauptet wurde, vorher verfügte, daß ein Frauenzimmer, das er geschwängert hatte, ein Haus erhielt, welches er bei Dijon besaß, nebst einer Summe von sechstausend Ecus, um ihr Kind großzuziehen. Ein Beweis, daß er in seiner Schwärze auch ein paar lichte Winkel hatte.
    Um auf den gegenwärtigen Streit zurückzukommen, so war der König von Birons Impertinenz sicherlich nicht erbaut, doch da er über seinen Marschall seit langem im Bilde war, ließ er sich weder zu Ärger noch Spott herbei.
    »Ich möchte trotzdem wissen, wie es steht«, sagte er undurchdringlichen Gesichts. »Givry, nehmt Euch dreihundert Reiter, die schnellsten und bestausgeruhten der Armee, und nähert Euch La Fère, so weit Ihr irgend könnt. Und kommt erst wieder, wenn Ihr Euch über die Absichten des Feindes im klaren seid.«
    Der König hatte den armen Givry, Feldmeister der leichten Kavallerie, dazu ausgewählt (der, wie du weißt, Leser, nur noch vierzehn Tage zu leben hatte), denn Seine Majestät liebte und schätzte ihn sehr als treu, bescheiden und als äußerst erfinderischen Kopf. Er war ein schöner und geistvoller Mann, der Griechisch und Latein konnte und sehr beschlagen war in der Mathematik, ein seltenes Verdienst, weil diese Wissenschaft von der Sorbonne verachtet wurde und daher in Frankreich so gut wie ausgestorben war.
    Nach drei Stunden brach Monsieur de Givry auf und kam drei Tage später mit der Versicherung wieder, daß er jenseits der Oise nichts vom Feind habe sichten können, was für sein Gefühl darauf hindeute, daß Mansfeld entweder in La Fère bleiben wolle, ohne anzugreifen, oder sogar nach Flandern zurückkehren werde. Hierauf lockerte der König seine Wachsamkeit ein wenig

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