Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
abgefeuert worden, allerdings ohne große Wirkung, weil beide Heere außer Musketenreichweite standen.
In der folgenden Nacht zog Mansfeld still und heimlich ab nach La Fère. Kaum daß man dies feststellte, wurde der König geweckt, und Biron wollte dem Feind auf seinem Rückzug nachsetzen und den Buckel verbläuen.
»Nein«, sagte Henri. »Im Krieg gewinnen ist gut, aber zuviel gewinnen wollen ist unklug. Mansfelds Fangzähne sind unversehrt. Wollt Ihr ihn zwingen zu beißen? Er zieht ab, der Sieg ist unser. Das genügt.«
Und als ein Edelmann nun in abfälligem Ton sagte, Mansfeld habe gezeigt, daß er doch reichlich blasse Nägel habe, stutzte ihn der König zurecht.
»Ganz und gar nicht. Graf Mansfeld ist keine Memme«, entgegnete er. »Er ist nur klug. Er hat in unserem Hinterhalt an tausend gute Soldaten verloren. Hätte er uns jetzt angegriffen, hätte er die Hälfte seiner Armee geopfert, ohne überhaupt sicher zu sein, daß er uns besiegt. Und wie hätte er dann Flandern weiter befrieden sollen? In Wahrheit hatte Mansfeld, als er hierherkam, nur eines im Sinn: uns seine Stärke vorzuführen, damit wir die Belagerung aufgeben. Und deshalb, weil er nicht wirklich zuschlagen wollte, hat er auf die Schlacht verzichtet. Er hat nur getan, als ob.«
Der König sagte dies mit einem Lächeln, wie man es von ihm kannte und das zu verstehen gab, daß er sich genausowenig gerührt hatte wie Mansfeld, weil er dieses »als ob« sehr wohl durchschaut hatte und es hochzufrieden war, hatte es ihm doch den Sieg beschert, ohne ihn einen Schlag zu kosten.
So zerstrubbelt, wie er war, als ihm der Abzug Mansfelds gemeldet wurde, nur mit Pantoffeln an den Füßen und dem übergeworfenen Schlafrock am Leib, war er doch soeben erst von seinem Strohsack aufgesprungen, trat der König aus seinem Zelt ins Freie, angelockt sicherlich von der Nacht, die nach der Tageshitze erfrischend und lieblich und von einem Vollmond überglänzt war, in dessen Helle sich deutlich erkennbar die Umrisse der Mauern und Türme von Laon abzeichneten. Nach ihnen wandte Henri die Augen, indem er dem Wachsoldaten die rechte Hand auf die Schulter legte.
»Arkebusier, wie ist dein Name?« fragte er.
»Jean Savetier, Sire«.
Henri warf den Kopf zurück, sog die Luft in vollen Zügen ein und sättigte sich an der Frische der Nacht.
»Schuster«, sagte er vergnügt, »das ist ein guter Name. Denn ab jetzt beschuht mich der Sieg. Laon ist an dem Punkt, mir wie eine reife Pflaume in den Mund zu fallen. Dann folgen die picardischen Städte. Dann Reims und die Champagne.«
Tatsächlich kapitulierte Laon am 26. Juli, und von seinem Beispiel angesteckt, wie es der König erwartet hatte, oder auch aus Furcht, eine vergleichbare Belagerung zu erleiden, ohne daß Mayenne und Mansfeld sie mehr entsetzen konnten, traten Château-Thierry, Doullens, Amiens und Beauvais in Verhandlung und ergaben sich dem König. Aus gleichen Gründen nahm der kleine Guise Rücksprache mit Seiner Majestät wegen der Übergabe von Reims, und ohne lange abzuwarten, welche Ergebnisse dies erbrachte, unterwarfen sich die Städte Rocroi, Saint-Dizier, Joinville, Fisme und Montcornet. Der Herzog von Nevers nahm sein Herzogtum Rethel wieder für seinen Sohn in Besitz. Und in starker Begleitung begab ich mich zu Unterhandlungen mit Madame de Saint-Paul, der ich außer der Vergebung des Königs Leben, Haus und Vermögen zusichern konnte und den Einwohnern der Stadt die verlangten Rechte. Die Gespräche führte ich mit Abgesandten der Dame, und als im Prinzip alles unter Dach und Fach war, ließ sie mir melden, daß sie mich gern sehen wolle; doch weil ich mir von der Heuchlerin nichts als Listen und Fallstricke erwartete, lehnte ich rundweg ab.
Der Handel, sage ich, war nur im Prinzip geschlossen, denn die Dame forderte für die Übergabe von Mézières eine unerhörte Summe, nicht für die Übergabe schlechthin, sondern – und nun, schöne Leserin, sperren Sie Ihre reizenden Ohren auf – für die Befestigungen, mit welchen ihr ligistischer Gemahl Mézières umgeben hatte. Henri sollte der Dame also die Festungswerke bezahlen, die besagter Gemahl gegen ihn hatte aufrichten lassen! Haben Sie jemals etwas so Schamloses gehört? Zudem war besagter Preis durchaus nicht gering: Madame de Saint-Paul, engherzig im Geben, aber äußerst großherzig im Nehmen, hatte ihn auf achtzigtausend Ecus hochgeschraubt. Sie haben richtig gelesen: achtzigtausend Ecus! Ich weigerte mich folglich, den
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