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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Mann Infanterie, dazu dreihundert Mann leichte Kavallerie, nämlich zweihundert Lanzenreiter und hundert Edelleute für seine engste Entourage, die meisten vom königlichen Haus.
    Gegen sechs Uhr abends brachen wir auf und nahmen die Landstraße von Laon nach La Fère durch einen Wald, den wir gänzlich durchquerten. An seinem Saum dann, zwei bis drei Meilen vor La Fère, hielten wir auf Birons Befehl und lagerten uns geräuschlos außer Sicht, Biron postierte nur ein paar Wachen vorn und an den Flügeln.
    Ha, Leser! War das eine tödliche Warterei! Was für ein ewiges Nägelkauen und Kopfkratzen dieses Waffenhandwerk doch ist: eine Minute Kampf und neunundfünfzig Minuten Langeweile! Zwanzig Stunden, sage ich, jawohl, zwanzig Stunden lagen wir an jenem Waldsaum im Hinterhalt, bekamen nichts wie Kälte zu schlucken, mußten den Mund halten, schliefen, ohne die Rüstung abzulegen, nur auf einem Auge, kauten zur Beschäftigung Reiser, die wir von den Bäumen abrissen, oder versuchten, Ameisen zweier Ameisenhaufen zum Kampf gegeneinander zu treiben. Vergeblich, beide Parteien hatten ihre Provinzen, ihre Straßen und unterirdischen Zitadellen, und wollte man sie gegeneinander hetzen, drehten sie, weiser als wir, nach ihrer jeweiligen Wohnstatt ab und weigerten sich stur, aufeinander loszugehen. Allerdings, das muß man zugeben, haben Ameisen keine Religion und mithin keine Ketzer, also auch keinen Grund, sich gegenseitig auszurotten.
    Endlich – da war es vier Uhr nachmittags – meldeten unsere Aufklärer, daß auf der Straße von La Fère ein endloser Heerbann gezogen komme; es sehe geradezu aus, als wolle uns die ganze feindliche Armee ans Fell. Bei dieser Nachricht flüsterten manche – ich werde ihre Namen nicht nennen –, wir sollten den Rückzug antreten, aber Monsieur de Biron dachte nicht daran, sondern schickte den gewissenhaften Fouquerolles auf Kundschaft. Und als der mit verhängten Zügeln wiederkam, meldete er, was jenen langen Zug bilde, seien gar keine in Korps marschierenden Truppen, sondern eine Unmenge Karrenvoller Lebensmittel, Pulver und Munition, eskortiert von etwa sechzehnhundert Pikenieren und Lanzenträgern, sämtlich mit dem spanischen Helm auf dem Kopf und angeführt von mindestens vierhundert Mann Reiterei.
    Die Anzahl schien also hüben und drüben ungefähr gleich, und der Angriff wurde beschlossen. Nun entbrannte zwischen unseren Chefs großer Streit, wie der erfolgen solle. Die einen waren dafür, die Feinde in den Wald hereinzulassen, ihnen den Rückzug abzuschneiden und sie vom Ende her zu schlagen, die anderen wollten sie gar nicht erst hineinlassen, sondern gleich am Kopfe packen, den ihre Kavallerie bildete, denn, so gaben sie nicht ohne Grund zu bedenken, ein Reiterangriff im Waldesdickicht könne nicht glücken.
    Die so argumentierten, waren Givry, Montigny und Marivault, sie befehligten unsere Reiter, und ihre Gründe waren so einleuchtend, daß sie schließlich auch Marschall Biron überzeugten, also geschah es, wie sie gesagt hatten. Am Saum des Waldes, wo wir versteckt lagen, saßen wir so lautlos auf, wie es ging, brachen plötzlich im Galopp, die Stoßdegen gezückt, hervor und hielten scharf zu auf ihre Reiter, die ganz gemächlich Schritt gingen. Gleichwohl erwehrten sie sich wacker, und das Gefecht war hart, aber kurz, nicht aus Mangel an Tapferkeit, sondern weil sie zu Pferde nicht so gut waren wie wir. Sie stoben also auseinander, ohne jedoch wirklich zu fliehen, und verteilten sich beiderseits ihrer Karren, worauf ihre Infanterie mit bewunderswerter Schnelligkeit Stellung bezog und so grimmig und gut focht, daß wir uns ihrer Reichweite entziehen mußten.
    Schäumend vor Zorn und flammenschleudernden Auges befahl uns Biron, die Infanterie auf der linken Flanke anzugreifen, und bei Gott! um uns den Weg der Pflicht zu weisen, gehe er mit seinen Pferden die rechte Flanke an: Angespornt von seinen Vorwürfen und seinem Beispiel, stürmten wir also erneut, und nun so gut, daß der Rest der feindlichen Kavallerie aufgab, nicht aber die Fußsoldaten, die sich zwischen ihre Karren zurückzogen und, sekundiert von Pikenieren und Musketieren, in Igelstellung so viele und so mörderische Salven feuerten, daß wir schließlich keine mehr schlucken mochten.
    Biron sah es, warf nun seine Infanterie vor, halb Schweizer, halb Franzosen, um diesem Igel zu Leibe zu rücken, die aber wurde so stachelig empfangen, daß sie ihm nicht beikommenkonnte, also daß das Scharmützel länger

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