Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
der König uns gewahrte, verlangsamte er seinen Galopp ein wenig, raffte mit einer Hand die Zügel, um aus seinem Wams ein Papier zu ziehen, auf welchem er die Standorte seiner Armee verzeichnet hatte, und schickte uns, Rosny, Quéribus, Saint-Luc, Vignolles, La Surie und mich, jeden in ein anderes Quartier, mit den Befehlen, sei es an die Kavallerie, sich zu wappnen und aufzusitzen, sei es an seine Infanterie, sich kampfbereit zu formieren.
Und wir stoben davon, jeder in eine andere Richtung, und als ich zurückkam ins königliche Quartier, herrschte dort ein unbeschreibliches Tohuwabohu von Reitern und Infanteristen, Befehle wurden geschrien, es wurde geflucht, Fanfaren schmetterten, Trommelwirbel rollten, und ich sah, der Verzweiflung nahe, wie sich am Horizont, deutlich sichtbar, die feindliche Kavallerie schon zu Schwadronen formierte, sobald die einzelnen Kolonnen auf dem Terrain eintrafen. Unfehlbar sah es auch der König, doch nie war er so bewundernswert kaltblütig, entschlossen und tatkräftig wie mit dem Hintern im Sattel und dem Kurzschwert in der Faust. Er eilte hierhin, eilte dorthin, hatte die Augen überall, sammelte seine Scharen, reihte sie zur Schlacht, spornte und ermunterte durch Scherze, Ulkereien und gute Laune und belebte aller Mut durch das unerschütterliche Vertrauen in sich und seine Waffen, das sein Gesicht ausstrahlte.
Trotzdem meine ich, wenn Mansfeld jetzt angegriffen hätte, da unsere Armee sich noch im ersten Wirrwarr und Durcheinander befand, hätte er größte Chancen gehabt, uns zu schlagen. Aber Mansfeld machte alles nach spanischer Art: langsam und schwerfällig. Und wie Monsieur de Rosny es eines Tages ausdrückte: Im Krieg verdirbt man sich Vorteile ebensosehr durch zuviel bedachte Vorsicht wie durch zu wildes Losstürmen.
Später stellte sich heraus, daß Mansfeld nicht hatte angreifen wollen, bevor nicht alle seine Truppen eingetroffen waren, und daß er große Verzögerungen und Verspätungen hatte hinnehmen müssen, weil seine Artillerie auf der Landstraße von La Fère nach Laon durch umgestürzte, zerstörte Karren und tote Pferde behindert worden war, die noch vom letzten Kampf dortlagen. Jedenfalls, bis sein Heer vollständig, kampfbereit und zur Schlacht aufgestellt war, war es auch das unsere, doch inzwischen ging der Tag zur Neige, und weder seins noch unseres wollte anfangen, weil es ohnehin bald dunkelte, so daß beide Lager einander gegenüberstanden, ein jedes mit Trompeten- und Trommelschall je nach nationaler Art. Und ich, der ich dieses friedliche Gegenüber kaum zu fassen vermochte, dachte an die
Ilias
und stellte mir die prahlerischen Schimpfreden vor, die Homer hier losgelassen hätte, die eine von Mansfeld an Henri, die andere von Henri an Mansfeld, jedoch jeweils in der Sprache der beiden Generäle, so daß keiner den anderen verstanden hätte.
Am nächsten Morgen redete Monsieur de Biron, brodelnd und brausend wie stets, nur davon, man müsse Mansfeld den Bart kitzeln gehen, damit er sich rühre.
»Ich weiß nicht«, sagte der König mit feinem Lächeln, »was ich gewinne, wenn ich ihn zwinge loszuschlagen.«
Immerhin schickte Mansfeld gegen Mittag ein paar Arkebusiere aus, sich eines Wäldchens zu bemächtigen, das, Gott weiß warum, zwischen beiden Lagern unbesetzt geblieben war – vielleicht daß sein Besitz dem, der es genommen hätte, wenig gebracht hätte. Marivault, der mit Givry die leichte Reiterei befehligte, kam bei Henri sogleich um die Erlaubnis ein, sie verjagen zu dürfen.
»I was, i was!« sagte der König. »Wäre mir an dem Wäldchen gelegen, hätte ich dich längst mit zweihundert Berittenen hingeschickt. Aber darauf ist Mansfeld nicht spitz, er will sich doch nicht mit meiner Kavallerie anlegen. Er weiß ganz genau, daß sie der seinen überlegen ist, weil sie durchweg aus französischem Adel besteht.«
Dieses Wort machte sogleich die Runde unter unseren Reitern, und mit stolzgeschwelltem Kamm und gesteilter Rute drangen sie noch ungeduldiger drauf, loszupreschen. Aber der König gebot ihnen ausdrücklich, nichts ohne seinen Befehl zu unternehmen; er ließ das Wäldchen, dem sich die Spanier näherten, nur mit Musketenfeuer bestreichen. Worauf auch der Feind zu feuern begann, und so entspann sich eine Schießerei von unglaublicher Dichte und währte mit ohrenbetäubendem Gedröhn und Getöse fast bis zur Dunkelheit. Ein Hauptmann sagte mir nachher, seines Erachtens seien von beiden Seitenetwa fünfzigtausend Schuß
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