Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
übrigens sehen, zu welchen unglaublichenExzessen der Eifer besagten Jesuiten trieb. Denn sowie Barrière ihm sein Vorhaben dargelegt hatte, lobte er ihn herzlich, daß er sich zu einer so schönen und so heiligen Tat entschlossen habe, ermunterte ihn, in seinem Mut nicht zu wanken, und empfahl ihm, vorher zu beichten und das Abendmahl zu nehmen, denn wenn er gefaßt und hingerichtet werde, sei ihm im Himmel die Märtyrerkrone sicher.«
»Sankt Antons Bauch!« sagte ich, »einen Menschen zum Abendmahl zu schicken, bevor er einen Königsmord begeht! Welch grauenvolle Verhunzung der christlichen Religion!«
»Dieses Detail«, sagte Monsieur de La Surie, »ist wirklich so abscheulich, daß man es kaum glauben kann.«
»Leider muß man es glauben«, sagte Monsieur de Rosny. »Es steht schwarz auf weiß in den Akten des Kriminalprozesses geschrieben. Pasquier, De Thou und Condé haben es dort gelesen. Nun, Siorac«, fuhr er fort, »Ihr bleibt stumm?«
»Mit Verlaub, Monsieur«, sagte ich, »mir geht nicht aus dem Sinn, was Ihr zu Beginn Eures Berichtes sagtet: daß der König seit seiner Bekehrung vogelfrei sei. Wie meint Ihr das?«
»Nun, seit seiner Bekehrung fliegt er von Sieg zu Sieg, schlägt Liga und Spanier, wo immer er sie trifft, nichts hält ihn mehr auf in der unaufhaltsamen Rückeroberung des Reiches, und allmählich finden einige brave ligistische Geister …«
»Daß ihnen nur das Messer bleibt«, sagte Miroul.
»Ihr glaubt also«, sagte ich, »daß die Jesuiten …«
»Die Jesuiten«, sagte Rosny, die Brauen wölbend, »oder die Karmeliter, oder die Kapuziner, oder die Jakobiner! Es gibt in diesem Land so viele Mönche aller Sorten, aller Kutten! Und so viele Klöster, die sogar der König nicht ohne Erlaubnis des Abtes betreten darf.«
»Und worin«, sagte ich nach einer Weile, »soll meine Mission bestehen angesichts der Dinge, die Ihr beschreibt?«
»Das kommt darauf an.«
»Kommt worauf an?« fragte ich erstaunt.
»Wer das Ziel definiert. Denn ich will Euch nicht länger verhehlen, mein lieber Siorac, daß der König die Sache etwas anders sieht als ich.«
»Soso«, sagte ich lächelnd, »darf ich, bei allem schuldigen Respekt vor dem künftigen Großmeister der Artillerie, zunächst erfahren, was der König vorhat?«
»Er will Euch als Beobachter zu einem Prozeß entsenden, der am Pariser Hohen Gerichtshof statthat, und zwar zwischen der Sorbonne und der Geistlichkeit der Hauptstadt einerseits und den Jesuiten andererseits.«
»Wie sonderbar! Die Sorbonne attackiert die Jesuiten! Wo sie doch immer so ligistisch war!«
»Schlichter Futterneid«, sagte Rosny mit spöttischem Lächeln. »Die ehrwürdigen Doctores der Sorbonne finden, daß die Jesuiten ihnen mit ihrem Kolleg zu viele Schüler wegschnappen.«
»Und die Pfarrer?«
»Daß die Jesuiten sie um zu viele Beichtkinder und folglich um zu viele Weihgaben und Legate bringen.«
»Und was erhoffen sich die Sorbonne und die Pfarrer von dem Prozeß?«
»Daß die Jesuiten aus Frankreich verbannt werden.«
»Amen«, sagte ich. »Und was sagt der König dazu?«
»Der König ist neutral.«
»Nach der Rolle, die der Jesuit Varade bei Barrières Attentat gespielt hat, hätte ich gedacht, er wäre interessierter.«
»Nun ja, die Sache ist nicht so einfach, Siorac«, meinte Rosny und zeigte durch seinen Ton, daß er mehr nicht sagen wollte.
»Wenn der König neutral ist«, sagte ich, »was mache ich dann in Paris?«
»Genauestens den Ablauf des Prozesses studieren.«
»So«, sagte ich lächelnd, »das ist also der königliche Auftrag an mich. Und Eurer, Monsieur de Rosny?«
»Genau studieren, welche Ziele die Jesuiten verfolgen.«
»Das ist eine Riesenaufgabe!« sagte ich.
»Aber zur Sicherheit des Königs unbedingt erforderlich.«
»Ha, Monsieur!« sagte ich wie erschrocken, »wie meint Ihr das?«
»Wie ich es sage. Gewisse Leute bleiben dabei, die Bekehrung des Königs anzuzweifeln, und predigen nach wie vor seinen Tod.«
»Aber warum nur? Warum?« rief mein Miroul so erregt, daß er seine bisherige Zurückhaltung vergaß.
»Weil sie ganz genau wissen, daß sie bei Henri, solange er lebt, niemals die Ausrottung der Hugenotten mit Feuer undSchwert durchsetzen können. Diesen blutrünstigen Plan haben sie unter Franz I. gefaßt, und obwohl seither ein halbes Jahrhundert vergangen ist, halten sie daran fest. Etliche dieser Geistlichen wurden in barbarischen Kollegien erzogen und haben von daher einen harten und grausamen
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