Der Tag Delphi
mußten den legendären Indianer aus einem bestimmten Grund hierher geführt haben.
Ja!
Das war Traggeos Chance, seine Prüfung. Wenn er sie bestand, indem er Wareagle tötete, würden die Geister, die ihn so lange verschmäht hatten, ihn endlich akzeptieren. Wareagle war alles, was Traggeo sein wollte. Eine Legende. Ein Held. Eher ein Mythos denn ein Mensch.
Wareagle floh vor seiner ersten Salve in die Dunkelheit des nächsten Ganges. Traggeo spurtete den Korridor entlang, ohne den Finger vom Abzug zu nehmen.
Klick.
Sein Magazin war leer, als Wareagle und die Frau um die Ecke bogen. In diesem noch nicht vollendeten Flügel gab es noch keinen Strom. Wenn er Wareagle verfolgen wollte, mußte er sich in die Dunkelheit begeben und dem legendären Indianer damit nach dessen Bedingungen gegenübertreten. Traggeo blieb stehen. Die Geister wollten ihn in Versuchung führen, doch er war nicht so töricht, um nach diesem Köder zu schnappen. Er wußte, daß Wareagle jetzt sein Spiel aufziehen konnte, wie es ihm beliebte. Traggeo wußte ebenfalls, daß er die Spielregeln festlegen mußte, wollte er die lebende Legende besiegen. Er würde Wareagle nicht leichtsinnig in die Dunkelheit folgen.
Er drehte sich um und lief zum Kontrollzentrum zurück.
»Warten Sie hier«, befahl Johnny in der Dunkelheit, nachdem er mitbekommen hatte, daß Traggeo sie nicht verfolgte.
Als er hinter der Zellentür der Frau ein dumpfes Geräusch gehört hatte, war er stehengeblieben. Die Schlüsseltaste war noch nicht eingebaut worden; statt dessen hingen dort zwei Drähte hinab. Er hatte sie einfach aneinandergehalten, und die Tür war elektronisch aufgesprungen.
»Wohin wollen Sie?« fragte sie ihn.
»Ich hole Sie später hier ab.«
»Sie wollen ihn verfolgen, nicht wahr?«
Johnny hielt das Messer in der Hand. Er fragte sich, ob die Frau es trotz der Dunkelheit irgendwie sehen konnte.
»Ich begleite Sie«, beharrte die Frau. »Er hat meinen Bruder getötet.«
»Er hat viele getötet.«
»Worauf warten wir dann?« fragte die Frau, und Johnny spürte, daß sie wieder an seinem Arm zerrte.
McCracken bewegte sich langsam durch den leeren Gang und versuchte, geistig zu verarbeiten, was er hier sah. Er hatte die Sandburg Eins an der Stelle betreten, an der der südliche Flügel in den östlichen überging. Aber er vermutete, daß sich ihm hier überall derselbe Blick bieten würde.
Sandburg Eins war ein ultramodernes Hochsicherheitsgefängnis. Es gab keine Gitter, keine Zellen. Statt dessen war, wie in einem Schlafsaal, eine Tür neben der anderen in die Wände eingelassen. Sie waren keine zweieinhalb Meter voneinander entfernt, was bedeutete, daß die Räume dahinter sehr klein waren. Jede Tür war mit einer computerisierten Schlüsseltaste mit eingebautem Mikrofon ausgestattet.
Diese Anlage war nach präzisen und kostspieligen Vorgaben errichtet worden. Sie wies eine gewisse zivilisierte Eleganz auf, die kaum zu der Klasse der Kriminellen paßte, die sie eigentlich hatte beherbergen sollen. Dabei würde es sich wohl kaum um Drogenhändler oder Lieferanten handeln. Nein, die Zellen dieses Komplexes warteten auf eine ganz andere Klasse von Insassen.
Auf politische Gefangene, die den Kräften, die dem Land eine neue Ordnung aufzwingen wollten, gefährlich werden konnten.
Die Trilaterale Kommission hatte durch einen Unterausschuß, dessen Vorsitzender Bill Carlisle gewesen war, ursprünglich versucht, dasselbe Ziel mit der Operation Gelbe Rose zu verwirklichen. Nun, fast zwanzig Jahre später, standen die militanten Nachfolger der Trilat kurz davor, den Plan zu verwirklichen.
Blaine sah auf seine Uhr. Die Tatsache, daß Sandburg Eins noch nicht in Betrieb war, erklärte, wieso der Komplex nur von einer Rumpfmannschaft bewacht wurde. Aber er hoffte noch immer, irgendwo Hinweise zu finden, die ihn auf die Spur derjenigen bringen würden, die hinter dem bevorstehenden Umsturz steckten.
McCracken ging weiter, erstaunt darüber, wie groß die Anlage war. Der Zahl der Zellen zufolge, die sich allein in diesem Flügel befanden, schätzte er, daß die gesamte Anlage über etwa siebenhundertfünfzig Räume zur Unterbringung von Gefangenen verfügte. Und wenn man davon ausging, daß überall im Land weitere derartige Anlagen errichtet werden sollten, von denen fünf sich bereits im Bau befanden und die bis an die Grenzen ihrer Kapazität mit Insassen gefüllt wurden …
Blaine hatte gerade einen anderen Gang betreten, als er das Geräusch von
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