Der Tag Delphi
»Sie haben sie umgebaut und zerlegen dort jetzt angeblich Atomsprengköpfe.«
»Angeblich?«
Kristen schluckte schwer. Der Kloß wollte sich nicht auflösen. »Ich bin davon überzeugt, daß mein Bruder sterben mußte, weil er herausgefunden hat, daß die Sprengköpfe gar nicht auseinandergenommen werden. Ich glaube, er hat gesehen, wie sie mit dem Lastwagen oder Flugzeug von der Basis weggeschafft wurden.«
McCracken wechselte einen Blick mit Sal Belamo. »Aber als Sie mit Senatorin Jordan nach Colorado zurückgekehrt sind, herrschte auf der Basis ganz normaler Betrieb. Alles entsprach dem Status quo.«
»Natürlich«, gestand Kristen verbittert ein. »Sie haben genug Zeit gehabt, um ihre Spuren zu verwischen. Die Senatorin hat sie rechtzeitig gewarnt.«
»Ich dachte, Sie hätten gesagt, die Senatorin …«
»Ich habe sie getötet, nachdem wir Miravo verlassen hatten. Nicht weit von der Stelle entfernt, an der man meinen Bruder umgebracht hat. Ich mußte sie töten, sonst hätte sie mich umgebracht.«
»Also hat sie zur anderen Seite gehört.«
»Nach allem, was ich weiß, trifft das auch auf Sie zu.«
»Nein, das müßten Sie eigentlich besser wissen.«
»Ach ja?«
»Gehörten wir zur anderen Seite, wären Sie jetzt tot«, sagte Blaine und musterte sie genauer.
Die Hoffnungslosigkeit, die ihren Tonfall so unerklärlich gleichmäßig hielt, konnte ihrer Schönheit allerdings kaum etwas anhaben. Obwohl ihr langes, welliges Haar zerzaust und verfilzt war, blieb das Gesicht, das es umgab, strahlend und lebendig. Ihre braunen Augen weigerten sich, ihre Furcht zum Ausdruck zu bringen, und kündeten statt dessen von Entschlossenheit. Ihre Wangen waren gerötet und strahlten vielleicht den Glanz innerer Stärke und Beharrlichkeit aus. Blaine schätzte sie als eine jener Personen ein, die bis zum Ende kämpfen und niemals aufgeben würden; davon zeugte auch alles, was sie bereits durchgemacht und verkraftet hatte.
»Hat die Senatorin Ihnen sonst noch etwas gesagt? Etwas über die Verschwörung, der sie angehört hat?«
»Warum sagen Sie mir nicht, worum es sich dabei handelt? Ich meine, diese Verschwörung hat Sie doch nach … wie haben sie es genannt? … Sandburg Eins geführt.«
»Ich habe herausbekommen, daß Sandburg Eins ein Gefängnis ist.«
»Aber ich war die einzige Gefangene.«
»Zur Zeit, ja.«
»Wessen Gefängnis, Mr. McCracken? Ich glaube, ich habe Ihnen genug erzählt. Jetzt möchte ich etwas von Ihnen erfahren. Ich bin in Washington ein paarmal Leuten wie Ihnen begegnet. Zweifelhafte Gestalten, die nach dem Ende des Kalten Krieges nichts mehr zu tun haben.«
»Ich bin schon lange vor dem Ende des Kalten Krieges ausgestiegen, Kris.«
Sal Belamo fuhr zu schnell über eine holprige Stelle, und der Humvee machte einen Satz und prallte unsanft wieder auf den Boden.
»CIA?« fragte sie.
»Früher mal.«
»Und jetzt?«
»Selbständig. Ich habe aber genug zu tun.«
»Und einer dieser Aufträge hat Sie zu diesem Gefängnis geführt.«
Blaine mußte den Kopf verrenken, um ihr in die Augen sehen zu können. »Diesmal hat es jemand auf die Regierung abgesehen. Man will sie stürzen.«
»Ein Putsch?«
»Alles deutet darauf hin. Und uns bleibt bis zu dem Umsturzversuch nur noch eine Woche.«
Kristens Gesichtsausdruck wurde etwas weicher. »Gerade habe ich zum erstenmal gehört, daß Ihre Stimme zittert.«
»Weil die Aussichten mir angst machen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie vor irgend etwas Angst haben.«
»Der Anschein kann trügen. Nur die Angst treibt mich an.«
»Und jetzt haben Sie Angst?«
»Vielleicht mehr denn je.«
»Und würden Sie mir vielleicht auch sagen, wieso?«
»Weil ich diesmal nicht sicher bin, daß ich es verhindern kann.«
»Diesmal? Es hat andere solcher Zwischenfälle gegeben?«
»Mehr, als ich zählen kann. Alle haben mit Macht und Kontrolle zu tun. Jeder hat eine Vision, und manchmal kommen die Leute, die über die Mittel verfügen, die ihre zu verwirklichen, zum Schluß, daß sie am besten wissen, was für alle anderen Menschen gut ist. Das Unheimliche daran ist, daß sie von dem was sie tun, überzeugt sind. Deshalb kann man sie nur schwer aufhalten.«
»Und doch versuchen Sie es immer wieder?«
»Ich bin noch mehr von dem überzeugt, was ich tue.«
»Aber diesmal ist es anders«, schloß Kristen Kurcell.
»Allerdings. Und wegen Ihnen verstehe ich allmählich wieso.«
»Wegen mir?«
»Die Atomwaffen, deren Abtransport auf Miravo Ihr
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