Der Tag Delphi
Blaines Richtung gewandt. »Hast du gehört, Süßer. Nun geh wieder nach Hause. Husch-husch.«
McCracken rutschte ein wenig näher. Eine Kruste von Schmutz und Ruß überzog den Mann. Der Geruch war umwerfend. Blaine richtete seinen Blick auf das Weiße Haus.
»Sie sind nicht weit von zu Hause entfernt, nicht wahr?«
»Es gehört dem Volk, oder etwa nicht?«
»So heißt es. Manchmal glauben einige, daß es ihnen mehr gehört als anderen.«
»Und haben sie damit recht?« schnappte der Mann.
»Schätze, das kommt darauf an. Oder vielleicht auch nicht.«
Ein Paar rotgeränderter, träger Augen musterte Blaine zum erstenmal. »Sie haben verdammt recht, es gehört nicht dem Volk. Sondern denen, die clever genug sind, es sich zu nehmen.«
»Erklären Sie das denen da«, sagte McCracken, der auf die stoischen Anhänger von Samuel Jackson Dodd starrte.
Die Augen betrachteten ihn jetzt noch genauer. »Wer, zum Teufel, sind Sie?«
»Mein Name ist McCracken.«
»Haben Sie Grund zur Annahme, daß Sie mich kennen?«
Blaine zögerte nicht. »Operation Gelbe Rose.«
McCracken musterte den lumpenumhüllten Mann, der neben ihm saß, und erst jetzt war er sich tatsächlich sicher, daß es sich um H. William Carlisle handelte, um den wahrhaftigen Billy the Kid. Die aufgesprungenen und rissigen Lippen zuckten. Seine Augen verengten sich zu mißtrauischen Schlitzen.
»Fahren Sie zur Hölle«, sagte er kraftlos.
»Dort sind Sie nun schon seit fast zwanzig Jahren, Mr. Carlisle.«
Carlisle grinste. »Ich habe die Hölle verlassen, Mr. Unbekannt.«
»Warum erzählen Sie mir nicht davon?«
»Warum wollen Sie es hören?«
Blaines Blick wies über die Pennsylvania Avenue auf das Weiße Haus. »Sehen Sie es sich noch einmal genau an, Mr. Carlisle, weil es wahrscheinlich bald einen unangekündigten Mieterwechsel geben wird.«
»Was sagen Sie da?«
»Jemand hat die Operation Gelbe Rose ausgegraben. Wenn ich mich nicht sehr täusche, hat es mit einer Verschwörung zu tun, die den Umsturz der Regierung zum Ziel hat.«
Furcht verdunkelte Carlisles schmutziges Gesicht. Er drehte sich plötzlich zu Blaine um und griff nach seinem Revers. Blaine ließ ihn gewähren und vermied es wegen des stechenden Geruchs so lange wie möglich, Atem zu holen.
»Wer sind Sie? Was sind Sie?«
»Erzählen Sie mir von der Gelben Rose.«
Carlisle ließ Blaines Jacke los und rutschte zurück. Er sprach wie aus weiter Entfernung, die Augen vor sich auf den Boden gerichtet. »Es begann so großartig. Was wir Trilateralisten in der Welt und für die Welt erreichen wollten.«
»Und natürlich für sich selbst.«
Carlisle schwang zu McCracken zurück. »Das ist dasselbe, verdammt. Wir haben angeboten, für Stabilität und Beständigkeit zu sorgen. Für einen angemessenen Preis.«
»Was für einen Preis?«
Nur die Andeutung eines Lächelns huschte über das Gesicht des alten Mannes. Sein Blick schwenkte in Richtung auf das Weiße Haus. »Demokratie ist eine wunderbare Sache. Aber es ist größtenteils nur eine Illusion, der gleiche Mist wie fast alles andere auch. Die einzige regierbare Demokratie ist eine begrenzte Demokratie. Gebt dem Volk genug davon, damit sie glauben, alles zu haben, was es will. Aber in den Siebzigern waren nicht alle bereit, diesen Preis zu bezahlen. Wir wurden angegriffen.«
»Wir.«
»Trilateralisten, die Elite, die Oberklasse – nennen Sie uns, wie Sie wollen. Militante Proteste schlugen uns von allen Seiten entgegen, gefährdeten unsere Versuche, für Stabilität zu sorgen, bedrohten das Fundament, das zu errichten wir bemüht waren. Frauen, Indianer, die Armen, Umweltschützer, die Militanten – besonders die Militanten. Rivalen! Egal, wohin wir sahen. Es mußte etwas getan werden. Wir mußten das Haus der Nation in Ordnung bringen. Ich wurde ausgewählt, um einen Unterausschuß der Trilat zu bilden.«
»Zweifellos, um diese Rivalen zu beseitigen.«
»Um das Land vor sich selbst zu retten, vor der Anarchie, du Idiot! Unsere Feinde, die Feinde des Landes, wurden isoliert. Die Operation Gelbe Rose hätte die Nation ihrer Bedrohung entzogen.« Carlisles Lippen bebten. »Gott im Himmel … Gott im Himmel!« Er rutschte wieder auf Blaine zu, griff jedoch nicht mehr nach ihm. »Was Sie vorher über den Umsturz der Regierung gesagt haben, wir haben davon gewußt! Wir wußten es, gottverdammt, aber wir haben nichts dagegen unternommen! Der Feind tauchte unter, um sich auf seine Zeit vorzubereiten, um stark genug zu
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