Der Tag Delphi
einen großen Teil des Inhalts heraus.
Die ersten fünf Jiffytüten, die Blaine öffnete, enthielten umfangreiche Personenakten einschließlich Fotos. Drei von den Namen sagten ihm etwas. Zwei sagten ihm nichts. Alle fünf hatten eines gemeinsam:
Oben auf der ersten Seite war jeweils ein Aufkleber mit einer gelben Rose angebracht.
Eine der Personen war ein College-Lehrer. Dann kam ein Gewerkschaftsführer. Zwei weitere waren Anführer der Antikriegsbewegung, die den Protestmarsch zum Parteitag der Demokraten im Jahr 1968 organisiert hatten. Der fünfte war ein Indianerführer, der 1972 den Protest am Wounded Knee angeführt hatte.
Sie alle waren Kämpfer der linksgerichteten Protestbewegungen und erklärte Feinde der Trilateralen Kommission gewesen.
In diesem Zusammenhang ergaben die Akten einen klaren Sinn. Die großen Pläne der Trilateralen Kommission sahen keinen Spielraum für zivilen Ungehorsam vor. Die Proteste gegen den Vietnamkrieg hatten klar aufgezeigt, wie die Regierungspolitik durch linksgerichtete Militanz ins Wanken gebracht werden konnte. Carlisle und die anderen Trilateralisten hatten ihre Lektion daraus gelernt, und sie wollten eine Präventivstrategie in Form der Operation Gelbe Rose durchführen: die Aktivisten und Anführer aus der Szene entfernen, bevor sie die Möglichkeit bekamen, die Pläne der Kommission zu beeinträchtigen.
Blaine rieb sich die Lider und sah die weiteren Personenakten durch. Irgendwo dazwischen mußte das sein, was Daniels gesucht hatte. Hier mochte die Identität jener verborgen sein, die hinter dem kommenden Versuch steckten, die Regierung zu stürzen.
Etwas in der jetzt vor ihm liegenden Akte zog seine Blicke magisch auf sich. »Ich will verdammt sein«, sagte er laut. »Gottverdammt!«
Neuntes Kapitel
»Verzeihung«, sagte Kristen Kurcell zu dem alten Mann, der vor dem Gebäude mit der Aufschrift ›Gemeindeverwaltung Grand Mesa‹ kehrte. »Entschuldigung, ich suche das Büro des Polizeichefs.«
Der alte Mann kehrte weiter und sah gar nicht hoch. »So etwas haben wir nicht.«
»Wie?«
»Nun, wenn Sie nach dem Sheriff suchen, könnte ich Ihnen vielleicht helfen.«
»Also gut, der Sheriff.«
Der alte Mann sah auf. Seine weißen Haare waren dünn, doch sie bedeckten den gesamten Kopf. Er hatte einen zerzausten Bart von derselben Farbe. Sein Gesicht war braungebrannt und zerknittert. Er trug eine buntkarierte Jacke über einem roten Flanellhemd und Khakihosen.
»Sie haben einen Termin?«
»Brauche ich einen?«
»Ich habe gefragt, ob Sie einen haben.«
»Nein.«
Der alte Mann lehnte sich auf seinen Besen. »Kommen Sie mit. Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Kristen folgte ihm durch die Tür ins Innere des Rathauses. Sie war am frühen Samstagmorgen hierhergefahren, nachdem sie die Nacht von Freitag auf Samstag in Denver verbracht hatte. Sie hatte sich überlegt, ob sie gleich weiterfahren sollte, nachdem sie mit dem Flugzeug aus Washington gekommen war, doch es war schon nach Mitternacht gewesen, und sie hätte ohnehin nichts mehr erreichen können. Davon abgesehen war sie erschöpft und brauchte wenigstens ein paar Stunden Schlaf, um wieder sie selbst zu sein. Doch jedesmal, wenn sie im Flughafenhotel die Augen zu schließen versuchte, sah sie Bilder von ihrem Bruder und Paul Gathers vom FBI vor sich.
Beide waren verschwunden.
Kristen hatte niemandem gesagt, wohin sie wollte. Sie ließ eine Nachricht für die Senatorin zurück, daß sie eine persönliche Angelegenheit erledigen mußte und zurückrufen würde, sobald sich Gelegenheit dazu ergab. Bis sie eine entfernte Ahnung davon hatte, was eigentlich los war, konnte sie niemand anders in diese Sache hineinziehen. Paul Gathers hatte etwas entdeckt und war danach verschwunden. Was immer es war, es mußte etwas mit dem verzweifelten Anruf ihres Bruders zu tun haben, den er nicht hatte zu Ende führen können.
Die Spur begann in Grand Mesa. Grand Mesa mochte die Antworten für sie bereithalten.
Sie hatte sich vorher nicht angekündigt, in der Hoffnung, daß die Überraschung sich als ihr bester Verbündeter erweisen würde. Da sie jetzt die tatsächliche Größenordnung der Ortschaft vor sich sah, kam ihr das allerdings unsinnig vor. Die Ortsmitte von Grand Mesa bestand aus einer Hauptstraße, ein paar Querstraßen und einer kleinen Ansammlung von Läden für die zweitausend Einwohner. Die einzige Tankstelle bot gleichzeitig auch die einzige Möglichkeit für Autoreparaturen. Es gab zwei Restaurants
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