Der Tag Delphi
Ruhe gesetzt. Die verrückte Randszene ist noch immer eine Randszene, klar, aber wir sind nicht mehr besonders verrückt.«
»Zwei davon doch. In Miami. Coconut Grove.«
»Wenn die beiden in meinem Auftrag gehandelt hätten, hätte ich dafür gesorgt, daß keine Spuren zu mir zurückführen. Genau wie Sie, oder?« Cleese musterte McCracken eindringlich; die Schaufel hielt er wie einen Speer in der ausgestreckten Hand. »Und jetzt behaupten Sie ja nicht, die Waffen, die im Grove benutzt wurden, hätten zu einer meiner Lieferungen gehört.«
Blaine machte sich nicht die Mühe, Cleeses Vermutung zu bestätigen.
»Haben Sie einen Namen?« fragte Cleese ihn.
»McCracken.«
Cleese rammte die Schaufel in den Futtersack, ließ sie aber nicht los. »Wir haben im ganzen Land ein paar hübsche kleine Gemeinden wie diese errichtet. Ich ziehe ständig zwischen ihnen hin und her. Ich würde Sie ja einladen, mal bei uns zu wohnen, habe aber das Gefühl, daß Sie nicht der Typ dafür sind.«
»Und in jeder haben Sie einen Teil Ihrer Lieferungen von Alvarez gelagert?«
»Ganz genau.«
»Für die Revolution, die sowieso nicht mehr kommt?«
»Jetzt nur noch, um am Leben zu bleiben.«
»Daddy!«
Der fröhliche Ruf eines Kindes hinderte Cleese daran, diesen Satz näher zu erklären. Hinter McCracken lief ein Junge von vielleicht sechs Jahren durch den Schlamm; die Stiefel von Erwachsenengröße reichten ihm fast bis an die Taille. Er glitt an Blaine vorbei und sprang in Arlo Cleeses Arme.
»Du hast gesagt, du bist in zehn Minuten fertig, Daddy. Du hast gesagt, du kommst nach Hause.«
Cleese setzte den Jungen ab. »Ich habe Besuch.«
Der Kleine sah Blaine an. »Bleibt er bei uns?«
»Nein.«
»Eine Menge Leute bleiben nämlich bei uns«, sagte der Junge zu McCracken.
»Lauf zurück. Warte auf der Veranda auf mich«, sagte Cleese zu seinem Sohn, und der Junge war genauso schnell wieder weg, wie er gekommen war.
»Seine Mutter hat uns vor drei Jahren verlassen«, fuhr Cleese fort. »Ich habe noch mehr Kinder, aber er ist der einzige, der noch bei mir ist.«
»Sie scheinen sich ja wirklich zur Ruhe gesetzt zu haben.«
»Und das gefällt mir bislang gar nicht schlecht. Ich habe mein Leben lang Schwierigkeiten gehabt. Hielt es für eine gute Idee, ihnen mal eine Weile aus dem Weg zu gehen.«
»Und wieso brauchen Sie dann so viele Waffen?«
»Wir müssen bereit sein, deshalb. Sie sind hier, weil Ihnen jemand gequirlte Scheiße erzählt hat, Mac. Leute, die wollen, daß Sie und alle anderen glauben, ich würde hinter dem stecken, was demnächst geschehen wird. Ich habe gedacht, einer dieser Leute hätte Sie geschickt. Das gehört alles zum Plan.«
»Zu welchem Plan?«
»Da Sie vor mir stehen, müssen Sie das doch wissen.«
»Warum erzählen Sie mir nicht Ihre Version, wenn ich schon einmal hier bin?«
Cleese zog die Schaufel aus dem Futtersack und stützte sich auf ihr ab. Um ihn herum drängten die Tiere sich ungeduldig zusammen.
»Ich habe den Eindruck, in den sechziger Jahren waren Sie nicht oft zu Hause, Mac. Zwei Dienstzeiten in Vietnam?«
»So ungefähr.«
»Und keinerlei Akten, die Auskunft darüber geben?«
»Könnte schon sein.«
Cleese stieß die Schaufel wieder in das Futter. »Sie und ich, Mac, wir beide sind in den Krieg gezogen, und wir beide haben ihn überlebt. Aber damals in den sechziger Jahren kam einem das Überleben gar nicht so wichtig vor. Wichtig war nur der Krieg, und ich meine damit nicht den in dem Land, in das man Sie geschickt hat. Ich spreche von der Heimat. Während Sie für die Freiheit gekämpft haben, habe ich miterlebt, wie sie in den guten alten USA selbst bedroht wurde. Subtile, aber konzertierte Bemühungen, daß alle schön im Gleichschritt marschieren. Das hat mir ganz schön Angst eingejagt, und wir haben getan, was wir konnten, um dagegen anzukämpfen, bis sie dann Druck machten und wir weggepustet wurden. Wir waren nicht so verrückt, die Sache bis zum bitteren Ende durchzuziehen. Aber die wirklich verderbten Leute waren es. Sie haben nie aufgehört. Und sie werden nicht aufhören, bis sie bekommen haben, was sie wollen.«
»Und das wäre?«
»Sie werden sich erst zufriedengeben, wenn ihnen das Land selbst gehört. Daran arbeiten sie. Deshalb wollten sie uns schon damals aus dem Weg schaffen.«
McCracken wurde ganz schummrig. Es war durchaus denkbar, daß der im Sterben liegende Tom Daniels mit der Erwähnung der Operation Gelbe Rose ihn gar nicht auf die Midnight
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