Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
Vom Netzwerk:
frische Truppen.
    Im Bienenstock startet die Verstärkung.
    Die neuen Geschwader bestehen aus jungen, aber mutigen Bienen – die meisten sind zwanzig oder dreißig Tage alt.
    Nach einer Stunde haben die Belokanierinnen zwölf der dreißig Nashörner verloren, die ihnen zur Verfügung standen, sowie hundertzwanzig Artilleristinnen von den dreihundert an der Schlacht beteiligten.
    Auf der anderen Seite sind von den siebenhundert Askoleinerinnen, die gegen die kleine Wolke losgeschickt worden waren, vierhundert Kriegerinnen gefallen. Die Überlebenden zögern. Ist es besser, sich bis zum Ende zu schlagen oder zum Schutz ins Nest zurückzukehren? Sie entscheiden sich für letzteres.
    Als die Käfer und ihre belokanischen Artilleristinnen ihrerseits in dem goldenen Bienenstock landen, kommt er ihnen merkwürdig leer vor. An ihrer Spitze steht Nr. 9. Die Roten wittern eine Falle und zögern an der Schwelle.
     

113. ENZYKLOPÄDIE
     
    SOLIDARITÄT: Solidarität entsteht aus Schmerz und nicht aus Freude. Jeder fühlt sich demjenigen, mit dem er einen beschwerlichen Augenblick geteilt hat, näher als dem, mit dem er etwas Glückliches erlebt hat.
    Das Unglück ist die Quelle von Solidarität und Einigkeit, während das Glück entzweit. Warum? Weil sich bei einem gemeinsamen Triumph jeder mit seinem eigenen Verdienst zu kurz gekommen fühlt. Jeder bildet sich ein, der eigentliche Urheber des gemeinsamen Erfolges zu sein.
    Wie viele Familien haben sich wegen eines Erbes entzweit?
    Wie viele Rock-and-Roll-Bands bleiben zusammengeschweißt
    … bis zum Erfolg? Wie viele politische Bewegungen sind auseinandergebrochen, sobald sie an der Macht waren?
    Etymologisch kommt das Wort »Sympathie« übrigens von syn pathein, was »mit jemandem leiden« bedeutet. Und ebenso leitet sich das englische oder französische »compassion« aus dem Lateinischen cumpatior her. das ebenfalls »mit jemandem leiden« bedeutet.
    Indem man sich die Leiden der Märtyrer für die eigene Sache vorstellt, kann man einen Augenblick lang aus seiner unerträglichen Individualität ausbrechen.
    Der Zusammenhalt und die Kraft einer Gruppe beruhen auf der Erinnerung an einen gemeinsam erlebten Leidensweg.
    Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Bd. 2

114. IM BIENENSTOCK
    Nr. 9 steigt von ihrem Zelter und schnüffelt mit den Antennen.
    In der Nähe landen weitere Ameisen. Eilige Abstimmung.
    Kommandoformation auf sehr gefährlichem Gelände.
    In einem kompakten Viereck dringen sie in den feindlichen Bienenstock ein. Innen sind ihnen die Nashornkäfer von keinem Nutzen mehr. Sie bekommen ein paar Stückchen Rinde zum Grasen, damit sie geduldig an der Schwelle ausharren.
    Die Belokanierinnen haben das Gefühl, ein Heiligtum zu schänden. Diesen Ort hat noch keine Nicht-Biene betreten. Die Mauern aus Wachs scheinen die Ameisen verschlingen zu wollen. Vorsichtig wagen sie sich vor.
    Die Wände mit ihrer makellosen Geometrie werfen Goldreflexe. Der Honig spiegelt sich im Glanz einiger einfallender Lichtstrahlen. Die Wachsplatten sind mit Harz zusammengeschweißt, dem rötlichen Leim, den die Bienen auf den Schuppen von Kastanien-und Weidenknospen sammeln.
    Rührt nichts an! ruft Nr. 9.
    Zu spät. Die vom Honig angelockten Ameisen wollen davon kosten und versinken sofort darin. Unmöglich, sie dort wieder herauszuziehen, ohne daß man selbst in diesem Treibsand versinkt.
    Die Artilleristinnen, die noch ein bißchen Säure vorrätig haben, legen den Rückwärtsgang ein, um auf jeden unvor-hergesehenen Angreifer schießen zu können.
    Alles riecht nach Zucker und Hinterlist.
    Rührt nichts an!
    Sie wittern die Anwesenheit askoleinischer Arbeiterinnen und Soldatinnen, die in den Wachsreihen versteckt bereit liegen, um sich auf sie zu stürzen, wenn der Befehl dazu ergeht.
    Die Kreuzzüglerinnen gelangen zu einem sechseckigen Gitter, das dem Herzen eines Kernreaktors ähnelt. Nur daß sich hier statt Uranstangen die zukünftigen Bürgerinnen der Goldenen Stadt befinden. Es sind achthundert Zellen voller Eier, zwölfhundert Zellen mit Larven und zweitausend-fünfhundert Zellen, die weiße Nymphen bergen. Die innerste Zone besteht aus sechs noch wichtigeren Zellen. Hier wachsen die Larven der fortpflanzungsfähigen Prinzessinnen heran.
    Die Ameisen sind von der Architektur beeindruckt. Sie ist der Ausdruck einer Zivilisation in voller Blüte. Ganz anders als die anarchischen, auf gut Glück, zufällig und nach dem Gesetz des geringsten Aufwands

Weitere Kostenlose Bücher