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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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behalten wollen, müssen wir so schnell wie möglich den tatsächlichen Mörder dieser Chemiker auftreiben. Eines der Opfer hat mit seinem Blut das Wort ›Ameisen‹ geschrieben. Allein im Telefonbuch von Paris tragen vierzehn Personen diesen Nachnamen. Ich bin sehr für direkte Lösungen. Wenn ein tödlich Verletzter mit letzter Kraft das Wort ›Ameisen‹ schreibt, denke ich schlicht und einfach, daß es sich um den Namen seines Mörders handelt. Suchen Sie also in dieser Richtung weiter.«
    Jacques Méliès biß sich auf die Lippen.
    »Das ist ja so einfach, Monsieur, daß ich nicht einmal daran gedacht habe.«
    »Also an die Arbeit, Kommissar. Ich lege keinen Wert darauf, für Ihre Fehler verantwortlich gemacht zu werden.«
     

109. ENZYKLOPÄDIE
     
    AUSSCHWÄRMEN: Bei den Bienen folgt das Ausschwärmen einem außergewöhnlichen Ritus. Plötzlich entscheidet eine Stadt, ein Volk, ein ganzes Königreich, in der Blüte des Wohlstands, alles in Frage zu stellen. Nachdem sie ihre Untertanen zum Erfolg geführt hat, fliegt eine alte Königin fort und läßt ihre kostbarsten Schätze zurück: Nahrungsreserven, einen gut ausgestatteten Wohnort, einen prächtigen Palast, Vorräte an Wachs, Harz, Pollen, Honig und Brutmilch. Und wem überläßt sie alles? Wilden Neugeborenen.
    Von ihren Arbeiterinnen begleitet, verläßt die Herrscherin den Bienenstock, um sich an einem ungewissen fremden Ort niederzulassen, an den sie vermutlich nie gelangen wird. Einige Minuten nach ihrem Aufbruch rebellieren die Bienenkinder und entdecken ihre verlassene Stadt. Jedes weiß aus Instinkt, was es zu tun hat. Die geschlechtslosen Arbeiterinnen eilen, den Prinzessinnen beim Ausschlüpfen zu helfen. Die in ihren heiligen Kapseln eingepferchten Schönen im Zauberwald erleben ihren ersten Flügelschlag. Doch die erste von ihnen, die laufen kann, heftet auch noch ein Blutbad an ihre Fahnen. Sie rast zu den übrigen Bienenprinzessinnen und drückt sie mit ihren kleinen Kiefern platt. Sie hindert die Arbeiterinnen daran, sie zu befreien. Sie durchsticht ihre Schwestern mit ihrem Giftstachel. Je mehr sie umbringt, um so mehr beruhigt sie sich. Wenn eine Arbeiterin eine königliche Wiege schützen will, stößt die als erste erwachte Prinzessin einen
    »Bienenwutschrei« aus, der sich völlig von dem Gebrumm unterscheidet, das man normalerweise aus einem Bienenstock hört. Daraufhin senken ihre Untertaninnen zum Zeichen der Unterwerfung den Kopf und lassen die Verbrechen geschehen.
    Manchmal wehrt eine Prinzessin sich, und es kommt zu Prinzessinnenkämpfen. Doch wenn nur noch zwei Bienenprinzessinnen übrig sind, die einander im Zweikampf gegenüberstehen, sind sie seltsamerweise nie in der Lage, sich mit ihrem Stachel gegenseitig zu durchbohren. Eine muß unbedingt überleben. Trotz ihres Verlangens zu herrschen, gehen sie nie das Risiko ein, beide gleichzeitig zu sterben und den Bienenstock verwaist zurückzulassen.
    Die letzte und einzige überlebende Prinzessin verläßt daraufhin den Bienenstock, um sich im Flug von den Männchen begatten zu lassen. Eine oder zwei Umkreisungen der Stadt, und sie kommt zurück, um mit dem Eierlegen anzufangen.
    Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Bd. 2

110. HINTERHALT
    Das Bienengeschwader braust schneidig durch die Luft. Eine Askoleinerin sendet einer ihrer Nachbarinnen zu: Sieh dir die Achten am Horizont an. Unsere tanzenden Botinnen verkünden eindeutig, daß die Belokanierinnen fliegen.
    Die andere versucht, sich zu beruhigen: Nur die Fortpflanzungsfähigen können fliegen. Vielleicht handelt es sich um einen Gruppenhochzeitsflug? Was könnte uns der schaden?
    Die Biene ist sich ihrer eigenen Kraft und der ihrer Truppe bewußt. Am Ende ihres Hinterleibs spürt sie ihren Stachel, bereit, die Panzer der tollkühnen Ameisen zu vernichten. In ihren Eingeweiden spürt sie die süßen stärkenden Honigreserven und die scharfen, brennenden Giftreserven. Die Sonne steht hinter ihr und blendet ihre zukünftigen Gegnerinnen, die Ameisen.
    Einen Augenblick lang erfaßt sie sogar Mitleid mit den abenteuerlustigen Insekten, die ihren Wagemut teuer werden bezahlen müssen. Doch die tanzenden Botinnen müssen gerächt werden. Und diese Ameisen müssen lernen, daß alles, was über dem Boden liegt, unter der Kontrolle der Bienen steht.
    In der Ferne zeichnet sich eine dichte Wolke ab, Typ junge Stratokumulus.
    Wir verstecken uns in dieser kleinen Wolke und fallen über sie her, sobald sie

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