Der Tag der Ameisen
einem schwarzen Kreis einen grünen Punkt blinken sah. Der grüne Punkt rückte langsam voran.
»Wir brauchen nur noch unserer Verräterin zu folgen«, meinte Méliès.
Draußen hielten sie ein Taxi an. Der Fahrer konnte kaum begreifen, daß seine Kunden nicht schneller als 0,1 Stundenkilometer fahren wollten, der Fortbewegungsgeschwindigkeit der Mörderbande. Normalerweise hatten die Leute es so eilig!
Vielleicht hatten sich die beiden seinen Wagen nur zum Flirten ausgesucht? Er warf einen Blick in den Rückspiegel. Nein, sie waren viel zu sehr mit Reden beschäftigt, während ihr Blick auf einen merkwürdigen Gegenstand in ihren Händen geheftet war.
137. ENZYKLOPÄDIE
KULTURSCHOCK: Im sechzehnten Jahrhundert landeten als erste Europäer portugiesische Abenteurer in Japan. Sie legten an einer Insel vor der Westküste an, wo sie vom örtlichen Gouverneur sehr höflich empfangen wurden. Er zeigte großes Interesse an den neuen Techniken, die diese »Langnasen«
mitbrachten. Vor allem die Arkebusen taten es ihm an, und er tauschte eine davon gegen Seide und Reis ein. Dann befahl der Gouverneur dem Schloßschmied, die wundersame Waffe nachzubauen. Doch der Handwerker erwies sich als außerstande, das Gehäuse hinten zu verschließen. Jedesmal explodierte die Arkebuse japanischer Herstellung dem Benutzer ins Gesicht. Als die Portugiesen wieder bei ihm landeten, bat der Gouverneur daher den Bordschmied, seinem eigenen Schmied beizubringen, wie man das Gehäuse so verschließt, daß es bei einer Detonation nicht explodiert.
So gelang es den Japanern, Feuerwaffen in großer Zahl herzustellen, wodurch alle Kriegsregeln in ihrem Land über den Haufen geworfen wurden. Bis dahin hatten nämlich nur die Samurai gekämpft, und zwar mit dem Säbel. Der Schogun Oda Nobugana schuf ein Korps Arkebusiere, die er lehrte, wie man mit Feuerstößen feindliche Reiterei zum Halt bringt. Neben dieser materiellen Unterstützung ließen die Portugiesen ein zweites Geschenk zurück, das geistiger Natur war: das Christentum. Sie schickten dafür ihre Jesuiten dorthin, die zunächst wohlgefällig aufgenommen wurden. Die Japaner hatten bereits mehrere Religionen verdaut, und so war für sie das Christentum nur noch eine weitere. Doch die Unduldsamkeit der christlichen Lehren erboste sie schließlich.
Was sollte diese katholische Religion, die behauptete, daß alle anderen Glaubensbekenntnisse Irrtümer seien? Die versicherte, daß ihre Ahnen, denen sie unbedingte Verehrung angedeihen ließen, angeblich gerade in der Hölle brieten, weil sie nicht getauft worden waren?
Soviel Sektierertum entsetzte die japanische Bevölkerung.
Sie folterten und massakrierten die meisten Jesuiten. Beim Shimabara-Aufstand wurden dann jene Japaner, die bereits zum Christentum bekehrt waren, ausgelöscht.
Von da an unterbanden die Japaner jegliches westliche Eindringen. Geduldet wurden lediglich holländische Kaufleute, die auf einer Insel vor der Küste isoliert wurden. Und diese Kaufleute durften lange keinen Fuß auf den Hauptarchipel setzen.
Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Bd. 2
138. IM NAMEN UNSERER KINDER
Verwirrt schwenkt die Termitenkönigin ihre Antennen.
Plötzlich hält sie inne und stellt sich den Ameisen, die in ihr Gemach eingedrungen sind.
Ich werde euch helfen, sagt sie. Ich werde euch helfen –
nicht, weil ich von euren Ameisensäurestrahlen bedroht werde, sondern weil die Finger auch unsere Feinde sind.
Die Finger, erklärt sie, hätten vor nichts und niemandem Achtung. Sie würden lange Stangen mit einem Seidenfaden daran schwingen, an dessen Ende Fliegenkinder, Maden, aufgespießt und einer schrecklichen Qual ausgesetzt seien. Die Finger würden sie eintauchen und hochziehen, bis barmherzige Fische bereit seien, ihnen ein Ende zu bereiten.
Um ihre Seidenfäden zu bestücken, hätten die Finger es gewagt, noch weiter zu gehen. Einer von ihnen habe sich über Moxiluxun, ihre eigene Stadt, hergemacht. Sie hätten die Gänge eingeschlagen, die Speicher geplündert, das königliche Gemach eingedrückt. Und was hätten diese Barbaren gesucht?
Die Larven. Sie hätten sie sich geschnappt und entführt. Die Termiten glaubten ihre Larven schon verloren, als die Jäger auftauchten, an deren Angelruten einige davon zappelten und pheromonisch um Hilfe riefen.
Wie hätten sie sie retten sollen? Mit Hilfe der Wasserkäfer.
Diese Tiere dienten den Termiten als Boote.
Als Boote?
Die Königin
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