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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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reißenden Bestie und dem zivilisierten Menschen.
    Jacques Méliès wurde weiß wie ein Leintuch und rührte sich nicht mehr.
    Gerade noch rechtzeitig stellte Laetitia sich zwischen Hund und Mensch. Sie starrte das Tier mit einem kalten, lila Blick an, der besagte: »Ich habe keine Angst vor dir.«
    Da stand sie, mit geradem Rücken, gespreizten Schultern, der Haltung der Selbstsicheren und dem harten Blick, die einst der Abrichter im Hundezwinger gehabt hatte, als er dem Schäferhund beibrachte, wie man ein Haus schützt.
    Mit eingezogenem Schwanz machte das Tier kehrt und verzog sich ängstlich wieder hinter seine Umzäunung.
    Méliès’ Gesicht war immer noch bleich, und er zitterte vor Angst und Kälte. Ohne nachzudenken nahm Laetitia ihn wie ein Kind in ihre Arme, um ihn zu beruhigen und aufzuwärmen.
    Sie drückte ihn sacht an sich, bis er lächelte.
    »Wir sind quitt. Ich habe Sie vor dem Hund gerettet, Sie mich vor den Menschen. Sehen Sie, wir brauchen einander.«
    »Schnell, das Signal!«
    Der grüne Punkt war kurz davor, vom Sichtschirm zu verschwinden. Sie rannten, bis er wieder in der Mitte des Kreises war.
    Die Häuschen folgten einander, alle gleich, manchmal mit Schildern an der Tür, auf denen »Hausieren verboten« stand.
    Und überall Hunde, schlecht gepflegte Rasenflächen, von Prospekten überquellende Briefkästen, Wäscheleinen voller Klammern, morsche Tischtennisplatten, hier und da ein maroder Caravan. Die einzige Spur menschlichen Lebens: das blaue Fernsehlicht in den Fenstern.
    Die radioaktive Ameise galoppierte unter ihren Füßen in den Abwasserkanälen dahin. Der Wald rückte immer näher. Der Polizist und die Journalistin folgten dem Signal.
    Sie bogen in eine Straße, die auf den ersten Blick den übrigen glich. »Rue Phoenix« stand auf dem Wegweiser. Doch zwischen den Wohnhäusern sahen sie ein paar Läden auftauchen. In einem Fast-Food-Laden soffen fünf Jugendliche sechsprozentiges Bier. Auf den Flaschenetiketten stand zu lesen: »Achtung: Mißbrauch gefährlich.« Dasselbe stand auf den Zigarettenpäckchen. Die Regierung hatte vor, ähnliche Etiketten auf die Gaspedale der Autos sowie auf die freiverkäuflichen Waffen zu kleben.
    Sie kamen am Supermarkt »Konsumtempel« vorbei, am Café
    »Freundestreff«, ehe sie vor einem Spielwarenladen stehen-blieben.
    »Sie haben gerade angehalten. Hier.«
    Sie sahen sich um. Das Geschäft wirkte alt. In den Schau-fenstern lagen verstaubte Waren: Plüschhasen, Gesellschaftsspiele, Miniautos, Puppen, Bleisoldaten, Kosmonauten-und Feensammlungen, Attrappen und Witzspiele … Über dieser Unordnung blinkte eine anachronistische, bunte Girlande.
    »Sie sind angekommen. Sie sind tatsächlich angekommen.
    Der grüne Punkt rührt sich nicht mehr.«
    Méliès drückte Laetitia ganz fest die Hand: »Sie sind überführt!«
    Vor Freude sprang er ihr um den Hals. Er hätte sie gern geküßt, aber sie stieß ihn zurück.
    »Ruhig Blut, Kommissar. Die Arbeit ist noch nicht zu Ende.«
    »Sie sind angekommen. Sehen Sie selbst, das Signal leuchtet noch auf, aber es wandert nicht mehr.«
    Sie schüttelte den Kopf, hob den Blick. Über dem Schaufenster stand in großen blauen Neonlettern: »Arthur – der Spielzeugkönig«.

143. IN BEL-O-KAN
    In Bel-o-kan berichtet eine Fliegenbotin Chli-pu-ni: Sie sind am Fluß angekommen.
    Sie schildert die Einzelheiten. Nach der Schlacht gegen die Fluglegionen des Bienenstocks Askolein habe der Kreuzzug sich im Gebirge verirrt, er habe einen Wasserfall überquert, sich dann mit einem neuen Termitenhügel am Ufer des Flusses Allesfresser eine große Schlacht geliefert.
    Die Herrscherin hält die Informationen auf einem Gedächtnispheromon fest.
    Und wie wollen sie jetzt hinüberkommen? Unter dem Satäi durch?
    Nein, die Termiten hätten Wasserkäfer abgerichtet und würden sie dazu benutzen, ihre Flotte aus Vergißmeinnichtblättern anzuschieben.
    Daran zeigt Chli-pu-ni sich sehr interessiert. Ihr ist es nie gelungen, diese Wasserkäfer richtig zu zähmen.
    Die Gesandte schließt mit schlechten Nachrichten. Der Zug sei anschließend von Kaulquappen angegriffen worden. Alle diese Zwischenfälle hätten die Reihen der Kreuzzüglerinnen gelichtet. Es seien nur noch tausend übrig, darunter sehr viele Verwundete. Nur noch wenige hätten sechs unversehrte Beine.
    Die Königin macht sich keine allzu großen Sorgen. Selbst mit ein paar Beinen weniger genüge ein Heer von tausend Kreuzzüglerinnen, noch dazu kampferprobten, um alle

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