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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Krypta des größten Asts wird gegessen.
    Ameisen, Termiten, Bienen und kleine Käfer machen Trophallaxen. Die Läuse werden gemolken, ihr süßer Honigtau verteilt. Dann kommt wie bei jedem Biwak das ewige Thema Finger wieder zur Sprache, der Grund ihres Unternehmens.
    Die Finger sind Götter, behauptet eine belokanische Gottgläubige.
    Götter? Was ist das? erkundigt sich eine moxiluxunische Termite.
    Nr. 23 erklärt, die Götter seien Mächte, die alles beherrschen.
    Voll Verblüffung entdecken die Bienen, Fliegen und Termiten, daß es mitten im Herzen des Kreuzzugs Ameisen gibt, die die Finger so sehr verehren, daß sie glauben, sie seien der Ursprung der Welt. Die Diskussionen gehen weiter. Jeder will seinen Standpunkt erläutern.
    Die Götter gibt es nicht.
    Die Götter fliegen.
    Nein, die Götter kriechen.
    Sie können unter Wasser gehen.
    Sie ernähren sich von Fleisch!
    Nein, sie sind Pflanzenfresser.
    Sie ernähren sich überhaupt nicht, sondern leben von einer Energiereserve, die sie von Geburt an haben.
    Die Finger sind Pflanzen.
    Nein, Reptilien.
    Die Finger sind zahlreich.
    Es muß mindestens zehn oder fünfzehn von ihnen geben, die in Herden von fünf Stück über den Planeten wandern.
    Die Finger sind unsterblich.
    Gar nicht, wir haben vor ein paar Tagen einen getötet.
    Das war kein richtiger Finger!
    Was war es denn dann?
    Die Finger sind unantastbar.
    Die Finger haben Nester aus Zement wie die Wespen.
    Nein, sie schlafen auf den Bäumen wie die Vögel.
    Sie halten keinen Winterschlaf!
    Halt, nur nicht zuviel phantasieren. Die Finger müssen Winterschlaf halten. Alle Tiere halten Winterschlaf.
    Die Finger ernähren sich von Holz, denn eine Termite hat schon einige Bäume gesehen, die auf seltsame Weise angebohrt waren.
    Nein, die Finger ernähren sich von Ameisen.
    Die Finger ernähren sich nicht, sie leben von einer Energiereserve, die sie von Geburt an haben, das habe ich euch doch gerade schon erklärt.
    Die Finger sind rosig und rund. Sie können auch schwarz und flach sein.
    Die Debatte geht weiter. Gottgläubige und Ungläubige stehen gegeneinander. Mit ihren Wahnsinnsideen bringen Nr. 23 und Nr. 24 Nr. 9 zur Verzweiflung.
    Wir müssen dieses Geschmeiß töten, ehe es noch weitere Kreuzzüglerinnen ansteckt, sagt sie, und Nr. 103 solle bezeugen, welches Risiko diese internen Feindinnen darstellen.
    Die Soldatin schüttelt ihre Antenne.
    Nein. Lassen wir sie. Sie sind Teil der Vielfalt der Welt.
    Nr. 9 ist verdutzt. Es ist merkwürdig, seit Beginn des Kreuzzugs haben alle den Eindruck, sich zu verändern. Die Ameisen erörtern jetzt abstrakte Themen. Sie empfinden immer mehr Gefühle und Ängste. Sind die Roten etwa von einer »Krankheit der Seelenstimmungen« befallen? Oder werden sie weniger ameisig?
    Sie stehen vor dem Kampf gegen Ungeheuer und diskutieren auch noch! Da geht man besser schlafen. Die Akazie, die so glücklich ist, wie nur Bäume es sein können, wird über ihren Schlaf wachen.
    Draußen klagen quakend die Nachtkröten, daß sie sich nicht an dieser Fülle von Insekten gütlich tun können, die durch ihre Burg aus Fasern und Saft geschützt sind.
    Die Kreuzzüglerinnen sind alle eingeschlafen, außer den Zombie-Ameisen, die von den Leberwürmern gelenkt werden und im Gänsemarsch ins Freie gehen, um auf einen Halm zu klettern und darauf zu warten, daß sie abgeweidet werden.
    Doch auf der Insel befindet sich kein einziges Schaf. Am Morgen haben sie ihre ganze Eskapade vergessen und gesellen sich wieder zu ihren Kameradinnen.

Fünftes Arkanum
     
    DER HERR DER AMEISEN
146. GOTTGLAUBE
    Die Rebellinnen flitzen mit Höchstgeschwindigkeit durch die Gänge der Stadt. Diese Zisternenameise zu Doktor Livingstone zu bringen – das schaffen sie nie. Einige opfern sich, um die Föderationswachen aufzuhalten.
    Die Säurestrahlen spritzen. Eine Gottgläubige bricht zusammen, dann noch eine.
    Die Überlebenden werden nach und nach zu den Sälen mit den Bettwanzen abgedrängt. Doch bevor sie alle krepieren, will Chli-pu-ni es wissen. Sie läßt sich eine dieser Fanatikerinnen vorführen.
    Warum tut ihr das? fragt sie.
    Die Finger sind unsere Götter.
    Immer die gleiche Leier. Nachdenklich bewegt Königin Chli-pu-ni ihre Antennen. Seit kurzem hat die Rebellinnenbewegung aus unbekannten Gründen wieder Zulauf. Nach Aussage der königlichen Spioninnen war es nur noch ein gutes Dutzend, und jetzt sind es wieder um die hundert.
    Die Jagd auf die Rebellinnen muß verstärkt werden. Sie sind zu

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