Der Tag der Ameisen
gefährlich geworden.
147. DER SPIELWARENLADEN
»Und was tun wir jetzt?« fragte Laetitia Wells.
»Wir gehen rein«, bestimmte Jacques Méliès selbstsicher.
»Glauben Sie, die lassen uns rein?«
»Ich habe eigentlich nicht vorgehabt, an der Tür zu klingeln. Nehmen wir das Fenster an der Seite. Wenn jemand was dagegen hat, zücke ich einen gefälschten Durchsuchungsbefehl. Ich habe immer einen bei mir.«
»Das ist ja eine saubere Einstellung!« schimpfte die Journalistin. »Offenbar ist die Kluft zwischen Polizei und Gangstern gar nicht so breit.«
»Mit Ihren freundlichen Skrupeln und schönen Gefühlen kommen Sie bei Kriminellen nicht weiter. Also los!«
Sie war zu neugierig, um weiter zu zetern, und folgte ihm, als er an einer Regenrinne über die Mauer kletterte.
Die Menschen kommen an senkrechten Flächen eben nur mühsam voran. Sie rissen sich die Hände auf und waren ein paarmal knapp davor, abzustürzen, ehe sie die Terrasse erreichten. Zum Glück hatte das Haus nur ein einziges Stockwerk.
Sie schöpften wieder Atem. Der grüne Punkt war immer noch da, reglos in der Mitte des Kreises. Laetitia und Méliès befanden sich jetzt vielleicht nur noch fünf oder sechs Meter von den Killerameisen weg. Die Fenstertür am Balkon war angelehnt. Sie gingen hinein.
Im Schein seiner Taschenlampe erkannte man ein schlichtes Schlafzimmer, dann ein großes Bett mit roter Tagesdecke, einen normannischen Kleiderschrank, an den Wänden Blümchentapeten und einige Reproduktionen von Gebirgslandschaften. Das Zimmer roch nach einer Mischung aus Lavendel und Naphtalin.
Das Wohnzimmer dahinter war im Stil eines Möbel-supermarktes eingerichtet. Sessel mit gedrechselten Beinen und Leuchtergehänge. Eine Sammlung orientalischer Parfüm-flakons auf einer Konsole war die einzige originelle Note.
Ein wenig weiter erspähten sie ein Licht. Da saßen sicher Leute beim Abendessen in der Küche und klebten mit den Augen am Fernseher.
Méliès schaute auf seinen Bildschirm. »Die Ameisen sind jetzt über uns«, flüsterte er. »Es muß einen Speicher geben.«
Sie suchten nach einer Falltür in der Decke. Im Flur entdeckten sie vor dem Bad eine Leiter, die nach oben führte.
Dort sahen sie überraschenderweise den Schein einer Lampe.
»Steigen wir hinauf«, sagte Méliès und zückte seinen Revolver.
Sie kamen in einer merkwürdigen Mansarde heraus. In der Mitte stand ein Terrarium, das dem von Laetitia ähnelte, aber zehnmal so groß war. Von diesem Riesenkasten gingen Röhren aus, die an einen Computer angeschlossen waren, der seinerseits mit einer Vielzahl bunter Glasbehälter verbunden war. Links weiteres Computerzubehör, eine Matratze, ein Mikroskop, ein Gewirr aus Stromkabeln und Transistoren.
»Die Höhle eines verrückten Wissenschaftlers«, dachte die junge Frau, als hinter ihnen ein Ruf ertönte:
»Hände hoch!«
Bedächtig drehten sie sich um. Erst einmal sahen sie ein Gewehr mit langem Lauf auf sich gerichtet. Dann über dem Gewehr ein erstaunlich bekanntes Gesicht. Den Rattenfänger von Hameln kannten sie schon lange!
148. ENZYKLOPÄDIE
BOMBARDIERKÄFER: Die Bombardierkäfer (Brachynus crépitons) sind mit einem »Kanonenorgan« ausgestattet. Wenn sie angegriffen werden, sondern sie Rauch ab, auf den eine Detonation folgt. Diese wird von dem Insekt dadurch erzeugt, daß es zwei chemische Substanzen aus zwei verschiedenen Drüsen freisetzt. Die eine scheidet eine Lösung aus, die 25%
Wasserstoffsuperoxyd und 10% Hydrochinon enthält. Die andere erzeugt ein Enzym, die Peroxydase. Wenn die beiden Substanzen sich in einer Brennkammer vermischen, erhitzt sich das Gebräu auf 100°C, die Temperatur kochenden Wassers: daher der Rauch; dann entsteht ein Dampfstrahl aus Salpetersäure: daher die Detonation.
Wenn man sich dem Bombardierkäfer mit der Hand nähert, feuert seine Kanone sofort eine Wolke aus roten Tröpfchen aus, die ätzen und streng riechen. Die Salpetersäure hinterläßt auf der Haut Brandblasen.
Die Käfer zielen, indem sie die bewegliche Öffnung an ihrem Hinterleib ausrichten, in dem sich die explosive Mischung bildet. So können sie ein Ziel auf einige Zentimeter Entfernung treffen. Falls sie es verfehlen, genügt der Detonationsknall, um jegliche Angreifer in die Flucht zu schlagen.
Ein Bombardierkäfer hat normalerweise drei bis vier Salven in Reserve. Einige Entomologen haben jedoch Arten entdeckt, die, wenn sie gereizt werden, bis zu vierundzwanzigmal hintereinander schießen
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