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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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los.
    Von dem Taifun werden ganze Legionen ausgelöscht. Die panzerbewehrten Körper der Soldatinnen rollen über das Pflaster und purzeln dann in den Rinnstein.
    Das Ende eines schönen Kriegsabenteuers. Nach vierzig Sekunden intensiver Bestrahlung mit Seifenlauge rückt das Kreuzzugsheer nicht mehr weiter voran. Von den dreitausend Insekten verschiedener Arten, die sich vereinigt hatten, um ein für allemal mit den Fingern aufzuräumen, ist nur noch eine Handvoll Krüppel am Leben. Die meisten Soldatinnen sind von den tosenden Wellen des städtischen Reinigungsdienstes weggespült worden.
    Gottgläubige, Ungläubige, Ameisen, Bienen, Käfer, Termiten, Fliegen – alle werden unterschiedslos von dem flüssigen Tornado fortgeschwemmt.
    Und dabei hat der städtische Angestellte, der den Wagen fuhr, nicht das geringste bemerkt! Kein Mensch hat mitgekriegt, daß der Homo sapiens soeben die Große Schlacht um den Planeten gewonnen hat. Die Leute gehen weiter ihren Beschäftigungen nach, überlegen, was sie zu Mittag essen sollen, denken an die lästigen Hausarbeiten und den Streß im Büro.
    Die Insekten hingegen wissen ganz genau, daß sie den Krieg und die Welt verloren haben.
    Alles ist so schnell gegangen und so endgültig gewesen, daß man sich die Katastrophe kaum vorstellen kann. Innerhalb von vierzig Sekunden sind all die Beine, die kilometerweit gelaufen sind, all die Mandibeln, die unter den schlimmsten Umständen gekämpft haben, all die Antennen, die die Gerüche der exotischsten Gebiete wahrgenommen haben, nichts weiter als lose Teile, die auf einer olivbraunen Brühe treiben. Der erste Kreuzzug gegen die Finger rückt nicht mehr weiter voran und wird auch nie mehr voranrücken. Er ist in einem Schwall Seifenlauge untergegangen.

163. NICOLAS
    Nicolas Wells schloß sich den anderen an. Mit seiner eigenen Wellenlänge bereicherte er die kollektive Schwingung: OM.
    Einmal spürte er, wie er zu einer materielosen, leichten Wolke wurde und aufstieg, immer weiter aufstieg, bis er die Materie durchquerte. Das war tausendmal besser, als ein Ameisengott zu sein. Frei! Er war frei!

164. OFFENE RECHNUNGEN
    Nr. 89 hat einen Überlebensreflex. Sie gräbt ihre Krallen fest in eine Rinne des Gullideckels. Bedauerlicherweise befindet sie sich mitten in der Fußgängerzone. Nr. 103 hat ihrerseits gerade noch Zeit gehabt, mit »Großes Horn« aufzufliegen und dem Zyklon zu entgehen. Sie ist unversehrt. Das gleiche gilt für Nr.
    23, die sich in ein Loch im Teer geduckt hat.
    Ein Stück weiter ergreifen die Käfer die Flucht und tragen ihre Piloten mit sich fort. Ein paar überlebende Termiten machen sich davon. Sie bedauern, daß sie nicht auf der Akazieninsel geblieben sind.
    Die drei Belokanierinnen schaffen es, wieder zueinander-zufinden.
    Sie sind zu stark für uns, meint Nr. 9 verzweifelt und wischt sich die von dem Reinigungsmittel gereizten Augen und Antennen.
    Die Finger sind Götter. Die Götter sind allmächtig. Wir verkünden es unablässig, und ihr glaubt uns nicht. Jetzt habt ihr die Bescherung! seufzt Nr. 23.
    Nr. 103 zittert noch vor Angst. Ob die Finger nun Götter sind oder nicht ändert nichts daran, daß sie schrecklich sind.
    Sie reiben einander, machen verzweifelte Trophallaxen, wie es nur diejenigen können, die einen endgültig vernichteten Kreuzzug überlebt haben.
    Für Nr. 103 ist das Abenteuer jedoch nicht auf diesem Platz zu Ende gegangen. Sie hat eine Mission zu erfüllen. Sie drückt ihren Schmetterlingskokon so fest, daß Nr. 9, die bisher nicht auf ihn geachtet hatte, fragt: Was ist denn in dem Ding, das du seit Beginn des Kreuzzugs mit dir rumschleppst?
    Nichts Besonderes.
    Zeig her.
    Nr. 103 weigert sich.
    Nr. 9 ist empört. Sie erklärt der Soldatin, daß sie sie schon immer als Spionin im Dienst der Finger im Verdacht gehabt habe. Nr. 103 habe sie wohl geradewegs in diesen Hinterhalt gelockt und dabei so getan, als sei sie ihre Führerin!
    Nr. 103 übergibt ihre Last Nr. 23 und nimmt das Duell an.
    Die beiden Ameisen stellen sich einander gegenüber, reißen ihre Kiefer so weit wie möglich auf, spreizen ihre Antennen.
    Sie umkreisen einander, um ihre jeweiligen Schwachpunkte ausfindig zu machen. Dann kracht es plötzlich. Sie stürzen sich aufeinander, verletzen sich an den Panzern, rasseln mit der Brust gegeneinander.
    Nr. 9 peitscht mit ihrer linken Mandibel durch die Luft und stößt sie in den Chitinpanzer ihrer Gegnerin. Es fließt durchsichtiges Blut.
    Durch eine Körpertäuschung

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