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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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schnuppe.
    Madame Ramirez fuhr fort: »Arthur hatte begriffen: Wenn er die Menschheit um etwas bereichern konnte, dann dank seines Geschicks mit Fernbedienungen.«
    Natürlich orientierte er sich am Roboterbau und machte spielend sein Ingenieurdiplom. Er erfand den automatischen Radwechsler für Reifenpannen, den in den Kopf transplantierbaren Walkman und sogar den ferngesteuerten Rückenkratzer.
    Im letzten Krieg entwickelte er den »Stahlwolf«. Diese vierbeinigen Roboter waren natürlich viel standfester als die zweibeinigen Androiden. Außerdem waren sie mit zwei Infrarotkameras ausgerüstet, um auch im Dunkeln zielen zu können, sowie mit zwei Maschinengewehren auf Höhe der Nasenlöcher und einer kurzen 35-mm-Waffe im Maul. Die
    »Stahlwölfe« griffen bei Nacht an. Soldaten steuerten sie gut geschützt auf über fünfzig Kilometer Entfernung. Diese Roboter erwiesen sich als so wirksam, daß kein Feind übrigblieb, um ihre Existenz zu bezeugen.
    Eines Tages jedoch bekam Arthur die streng geheimen Bilder zu Gesicht, auf denen die von seinen »Stahlwölfen«
    angerichteten Schäden zu sehen waren. Die mit der Steuerung der »Stahlwölfe« betrauten Soldaten waren dem Spielfieber verfallen und hatten, wie bei einem Videospiel, alles massakriert, was sich auf ihren Bildschirmen rührte.
    Angewidert hatte Arthur sich vorzeitig in den Ruhestand versetzen lassen und diesen Spielwarenladen eröffnet. Sein Talent wollte er von nun an in den Dienst der Kinder stellen, denn die Erwachsenen waren für den Umgang mit seinen Erfindungen zu verantwortungslos.
    Da lernte er Juliette kennen, die schon damals Briefträgerin war. Sie brachte seine Post: Zahlungsanweisungen, Ansichts-karten, Einschreiben. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie heirateten und lebten glücklich in ihrem Haus an der Rue Phoenix, bis sich eines Tages jenes Mißgeschick ereignete. So nannte sie den Vorfall: »Mißgeschick«.
    Während sie wie immer ihre Post verteilte, wurde sie von einem Hund angefallen. Er schnappte nach ihrer Tasche, schlug seine Hauer hinein und riß ein Paket auf.
    Juliette drehte ihre Runde zu Ende und nahm das beschädigte Päckchen mit nach Hause. Mit seinen geschickten Fingern sollte Arthur es reparieren, so daß der Adressat nie etwas davon bemerken würde. Das würde ihr mögliche Scherereien mit Kunden ersparen, die sich immer gleich beschwerten.
    Arthur Ramirez reparierte das Paket nie.
    Als er sich daran zu schaffen machte, erweckte der Inhalt sein Interesse: Ein dickes Konvolut von ein paar hundert Seiten Umfang, die Pläne für eine merkwürdige Maschine, ein Brief.
    Seine natürliche Neugier siegte über seine ebenso natürliche Diskretion: Er las das Konvolut, er las den Brief, er sah sich die Pläne an.
    Und ihr Leben war über den Haufen geworfen.
    Arthur Ramirez fiel einer einzigartigen fixen Idee zum Opfer: den Ameisen. Im Speicher richtete er ein riesiges Terrarium ein. Er behauptete, die Ameisen seien intelligenter als die Menschen, denn das Zusammenwirken aller einzelnen in einem Ameisenhügel übersteige die Summe der Verstandeseinheiten, aus der es sich zusammensetze. Bei den Ameisen sei 1 + 1 = 3.
    Die soziale Synergie funktioniere. Die Ameisen würden eine neuartige Lebensform demonstrieren: als Gruppe. Seiner Meinung nach bringe das schlichtweg eine Evolution des menschlichen Denkens mit sich.
    Erst viel später erfuhr Juliette Ramirez, was auf den Plänen dargestellt war. Sie handelten von einer Maschine, die ihr Erfinder »Stein des Weisen« getauft hatte. Sie verwandelte die menschlichen Silben in Ameisenpheromone und umgekehrt, so daß man mit dem Ameisenvolk sprechen konnte.
    »Aber … aber das ist ja das Projekt meines Vaters!« rief Laetitia aus.
    Madame Ramirez faßte sie an der Hand.
    »Das weiß ich, und wo Sie jetzt da sind, schäme ich mich so.
    Das Paket hatte nämlich Ihr Vater, Edmond Wells, abgeschickt, und der Empfänger, der waren Sie, Mademoiselle Wells. Das Konvolut enthielt das Manuskript des zweiten Bandes seiner Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, die Pläne betrafen seine Übersetzungsmaschine zwischen dem Französischen und dem Ameisischen. Und der Brief … der Brief war für Sie«, sagte sie und holte aus einer Büffetschublade ein sorgsam zusammengefaltetes weißes Blatt Papier.
    Laetitia riß es ihr beinahe aus der Hand.
    Sie las: Laetitia, meine liebe Tochter, verurteile mich nicht …
    Sie verschlang die geliebte Schrift, die mit weiteren zärtlichen Worten

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