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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Utopistengruppe lieferte, die die Evolution der Menschheit hatte weiterbringen wollen.
    Ohne Polizei oder Zeugen hatten sie jegliche Zurückhaltung aufgegeben.
    Es gab einen Toten. Einen Feuerwehrmann, der einem Messerstich zum Opfer gefallen war. Betreten unterbrachen die anderen sofort den Kampf und betrachteten das Unglück.
    Keiner dachte daran, den Toten aufzufressen.
    Die Gemüter waren beruhigt. Professor Daniel Rosenfeld setzte der Auseinandersetzung ein Ende: »Wir sind schon ganz schön tief gefallen! In uns steckt noch immer der Höhlenmensch, und es braucht keinen tiefen Kratzer in der dummen Schicht unserer Höflichkeit, um ihn wieder zum Vorschein kommen zu sehen. Fünftausend Jahre Zivilisation wiegen nicht schwer.« Er seufzte. »Wie die Ameisen sich über uns lustig machen würden, wenn sie jetzt sähen, wie wir uns der Nahrung wegen gegenseitig umbringen!«
    »Aber …«, meinte ein Polizist.
    »Schweige, menschliche Larve!« donnerte der Professor.
    »Kein sozial lebendes Insekt, nicht einmal eine Schabe, würde es wagen, sich so aufzuführen, wie wir es gerade getan haben.
    Wir halten uns für die Krone der Schöpfung, pah! Da kann ich bloß lachen. Die Gruppe hier, die den Auftrag hat, den Menschen der Zukunft vorwegzunehmen, benimmt sich wie ein Rudel Ratten. Schaut euch an, was ihr aus eurer Menschlichkeit gemacht habt.«
    Keiner erwiderte etwas. Die Blicke fielen abermals auf die Leiche des Feuerwehrmanns. Ohne daß ein Wort gesagt wurde, halfen alle mit, ihm in einer Ecke des Tempels ein Grab auszuheben. Mit einem kurzen Gebet wurde er begraben. Nur äußerste Gewalttätigkeit hatte der Gewalt mit einem Schlag Einhalt gebieten können. Sie vergaßen die Bedürfnisse ihrer Mägen, leckten sich ihre Wunden.
    »Ich habe nichts gegen eine schöne Lektion in Philosophie, aber ich möchte trotzdem wissen, wie wir überleben sollen«, brachte dann Inspektor Gérard Galin vor. Der Gedanke, einander aufzuessen, war zwar herab-würdigend. Aber was sollte man zum Überleben sonst tun? Er schlug vor: »Und wenn wir alle gleichzeitig Selbstmord begehen? Wir würden den Leiden und Demütigungen entkommen, die uns diese neue Königin Chli-pu-ni auferlegt.«
    Der Vorschlag rief kaum Begeisterung hervor. Galin tobte:
    »Aber verflucht noch mal, warum benehmen die Ameisen sich uns gegenüber so bösartig? Wir sind die einzigen Menschen, die sich dazu herablassen, mit ihnen zu reden, noch dazu in ihrer Sprache, und das ist ihr Dank dafür. Daß sie uns verrecken lassen!«
    »Ach, darüber braucht man sich nicht zu wundern«, sagte Professor Rosenfeld. »Zur Zeit der Geiselnahmen im Libanon haben die Kidnapper vorzugsweise diejenigen umgebracht, die Arabisch konnten. Sie hatten Angst, verstanden zu werden.
    Vielleicht fürchtete diese Chli-pu-ni ebenfalls, verstanden zu werden.«
    »Wir müssen unbedingt einen Weg finden, hier rauszukommen, ohne uns gegenseitig zu fressen oder Selbstmord zu begehen!« rief Jonathan aus.
    Sie verfielen in Schweigen und grübelten nach, so gut es ihre gefräßigen Bäuche ihnen erlaubten.
    Dann hatte Jason Bragel eine Idee: »Ich glaube, ich weiß, wie
    …«
    Augusta Wells erinnerte sich und lächelte. Er hatte gewußt, wie.
     

Zweites Arkanum
     
    DIE UNTERIRDISCHEN GÖTTER
39. VORBEREITUNGEN
    Du weißt, wie du’s machen mußt, ja?
    Die Ameise antwortet nicht.
    Du weißt, wie du’s machen mußt, wenn du einen Finger töten willst? präzisiert die Interessentin.
    Keinen blassen Schimmer.
    Überall in der Stadt bereiten sich Gruppen von Soldatinnen auf den großen Kreuzzug gegen die Finger vor. Die Infanteristinnen wetzen ihre Kieferzangen. Die Artilleristinnen pumpen sich voll Säure.
    Die schnellen Infanteristinnen, die man als Kavallerie betrachten kann, schneiden sich die Haare an den Beinen, um noch windschlüpfriger zu sein, wenn sie losstürmen, um Tod und Verheerung zu säen.
    Alle reden nur noch von den Fingern, vom Ende der Welt und den neuen Kampftechniken, die es ermöglichen sollen, diese Ungetüme zu vernichten.
    Auf das Ereignis herrscht Vorfreude wie auf eine gefährliche, aber erregende Jagd.
    Eine Artilleristin tankt sich mit ätzender, sechzigprozentiger Säure voll. Das Gift ist so konzentriert, daß ihr die Spitze des Hinterleibs raucht.
    Damit schaffen wir die Finger! bekräftigt sie.
    Beim Reinigen ihrer Antenne rät eine alte Soldatin, die schon einmal eine Schlange erledigt haben will:
    Die Finger sind bestimmt nicht so wild, wie immer erzählt

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