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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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gegen die Finger angekündigt.
    Hat Doktor Livingstone dabei gottgläubig oder nicht gottgläubig geredet? erkundigt sich Nr. 103 683.
    Nein. Es war der nicht gottgläubige, vernünftige und konkrete, und er sprach von einfachen und offensichtlichen Dingen, die alle mit ihren Antennen nachvollziehen konnten.
    Jedenfalls seien Doktor Livingstone und die Finger, deren Sprecher er ist, nicht aus der Fassung geraten, als sie gehört hätten, daß eine Mission zum Ende der Welt aufbrechen werde, um alle Finger auszurotten. Sie hätten dies, ganz im Gegenteil, wie eine sehr gute Nachricht aufgenommen und sogar gesagt, es handele sich um eine einmalige Gelegenheit, die sie nicht verpassen dürften.
    Die Finger hätten lange nachgedacht. Dann habe Doktor Livingstone ihnen Anweisungen gegeben, Befehle für eine eigene Mission, die sie »Mission Merkur« genannt hätten. Sie sei so unmittelbar mit dem Kreuzzug gen Osten verknüpft, daß sie kaum davon zu unterscheiden sei.
    Da du die Truppen aus Bel-o-kan anführen wirst, bist du auch am besten geeignet, diese Mission Merkur durchzuführen.
    Nr. 103 683 erfährt von ihrer neuen Aufgabe.
    Achtung! Sei dir der Wichtigkeit deines Erfolges wohl bewußt. Die Mission Merkur kann das Antlitz der Welt verändern.

38. UNTEN
    »Glaubst du denn, daß die Mission Merkur Erfolg haben kann?« Augusta Wells hatte gerade ihren Plan den Ameisen dargelegt. Die alte Frau fuhr sich mit einer vom Rheuma verkrüppelten Hand über die Stirn und seufzte: »Mein Gott, wenn nur diese kleine rote Ameise ankommt!«
    Schweigend betrachteten alle die alte Frau. Einige lächelten.
    Sie waren gezwungen, sich diesen Rebellenameisen anzuvertrauen. Sie hatten keine Wahl. Den Namen der mit der Mission Merkur beauftragten Ameise kannten sie nicht, aber alle beteten, daß sie dem Tod entrinnen möge.
    Augusta Wells schloß die Augen. Jetzt waren sie schon seit einem Jahr hier unten, mehrere Meter unter der Erde. Trotz ihrer hundert Jahre erinnerte sie sich an alles.
    Erst einmal an ihren Sohn Edmond, der nach dem Tod seiner Frau in der Rue des Sybarites 3 eingezogen war, einen Katzensprung entfernt vom Wald von Fontainebleau. Als auch er ein paar Jahre später aus dem Leben geschieden war, hatte er seinem Neffen Jonathan als Erben einen Brief hinterlassen. Es war ein sonderbarer Brief, der als einzigen Satz einen Ratschlag enthielt: »Niemals den Keller betreten.«
    Mit der Zeit hätte Augusta Wells beinahe geglaubt, daß diese Warnung geradezu eine Aufforderung dazu gewesen war.
    Schließlich hatte Parmentier den Absatz seiner Kartoffeln, von denen niemand etwas wissen wollte, dadurch gefördert, daß er sie auf ein abgeschlossenes Feld pflanzte, das von Plakaten umringt war: »Betreten absolut verboten«. Von der ersten Nacht an klauten Diebe die wertvollen Knollen, und ein Jahrhundert später waren die Fritten aus der Ernährung der Weltbevölkerung nicht mehr wegzudenken.
    Jonathan war also in den verbotenen Keller gestiegen. Er war nicht wieder heraufgekommen. Seine Frau Lucie hatte sich auf die gefährliche Suche nach ihm begeben. Dann sein Sohn Nicolas. Dann Feuerwehrleute unter der Leitung von Inspektor Gérard Galin. Dann Polizisten unter der Führung von Kommissar Alain Bilsheim. Schließlich sie selbst, Augusta Wells, in Gesellschaft von Jason Bragel und Professor Daniel Rosenfeld.
    Insgesamt hatten sich achtzehn Personen die unendliche Wendeltreppe hinuntergewagt. Alle hatten sie die Ratten bekämpft, das Rätsel mit den sechs Streichhölzern, die vier Dreiecke bilden, gelöst. Sie waren durch die Schleuse gegangen, die den Körper wie bei der Geburt zusammendrückt.
    Sie waren wieder hochgestiegen und in die Falle gelaufen. Sie hatten ihre kindlichen Ängste überwunden und die Täuschungen des Unbewußten, die Erschöpfung, das Bild des Todes.
    Am Ende ihres langen Marsches hatten sie den unterirdischen Tempel entdeckt, der im Renaissancestil unter einer großen Granitplatte errichtet worden war, über welcher wiederum ein Ameisenhügel thronte. Jonathan hatte ihnen das Geheimlabor von Edmond Wells gezeigt. Er hatte ihnen die Beweise für das Genie seines alten Onkels vor Augen geführt, insbesondere seine Maschine, die er »Stein des Weisen« getauft hatte und die es möglich machte, die Geruchssprache der Ameisen zu verstehen und mit ihnen zu sprechen. Aus der Maschine ragte eine Röhre, die an eine Sonde angeschlossen war, genauer gesagt an eine Ameise aus Plastik, die zugleich als Lautsprecher

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