Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
Vom Netzwerk:
Alarmruf geht durch die Armee.
    Nicht davon essen! Nicht davon essen!
    Tatsächlich sind die Exkremente der Spechte oft von Bandwürmern infiziert. Wer davon kostet …
     

83. ENZYKLOPÄDIE
     
    BANDWÜRMER: Die Bandwürmer sind einzellige Parasiten, die im ausgewachsenen Stadium im Gedärm von Spechten leben. Mit dem Kot des Vogels werden sie ausgeschieden. Man könnte meinen, dieser sei sich dessen bewußt, so häufig kommt es vor, daß er die Ameisenstädte mit seinen Exkrementen bombardiert.
    Wenn die Ameisen ihre Stadt von diesen weißen Spuren säubern wollen, fressen sie sie und werden von den Bandwürmern verseucht. Die Parasiten stören ihr Wachstum und verändern die Pigmentierung ihrer Panzer, so daß sie heller werden. Die angesteckten Ameisen werden krank, ihre Reflexe werden langsamer, und so sind die vom Kot eines Grünspechts angesteckten Ameisen seine ersten Opfer, wenn dieser eine Stadt angreift.
    Diese Albinoameisen sind nicht nur langsamer, sondern sie lassen sich durch ihr heller gewordenes Chitin auch leichter in den dunklen Gängen der Stadt aufspüren.
    Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Bd. 2

84. DIE ERSTEN GEFALLENEN
    Der Vogel bombardiert sie jetzt weiter. Er wendet eine mittelfristige Strategie an: Erst vergiften, dann die geschwächten Ameisen beim nächsten Angriff einsammeln.
    Die Soldatinnen fühlen sich machtlos. Nr. 9 brüllt zum Himmel hinauf, daß sie auf dem Weg seien, die Finger zu töten, und daß der dumme Vogel mit seinem Angriff ihren gemeinsamen Feind schütze. Aber der Specht nimmt die Duftbotschaften nicht wahr. Er vollführt einen Looping rückwärts und fällt über die Kolonne der Kreuzzügler her.
    Alle zur Luftabwehr! sendet eine alte Kriegerin.
    Schwerbewaffnete Artilleristinnen klettern so schnell wie möglich auf hohe Grashalme. Sie schießen im Vorbeiflug auf den Vogel, der eindeutig zu schnell ist. Daneben! Noch schlimmer: Zwei Artilleristinnen feuern mit ihren Schüssen überkreuz aufeinander!
    Aber während der Schwarzspecht sich anschickt, seinen Kotabwurf zu wiederholen, erlebt er vor sich ein gar nicht alltägliches Schauspiel. Dort schwebt ein Nashornkäfer dank seines asynchronen Flügelschlags beinahe reglos in der Luft, und auf seinem Vorderhorn sitzt merkwürdigerweise eine Ameise in Schußposition. Es ist Nr. 103 683. Ihr Anus raucht, denn sie hat sich mit der hyperkonzentrierten sechzigprozentigen Säure vollgetankt.
    Mit ihrem prekären Gleichgewicht kommt die Ameise nicht weit. Der Vogel wird sie vernichten, er ist unverhältnismäßig viel größer, stärker und schneller. Ihr Hinterleib wird von einem unkontrollierbaren Zittern erfaßt, sie kann nicht mehr zielen.
    Da denkt sie an die Finger. Die Angst vor den Fingern übersteigt jede andere Angst. Sie wird nicht kneifen: Wenn man schon mal in der Nähe der Finger war, läßt man sich doch nicht von einem Vogel auf Jagd beeindrucken.
    Sie richtet sich wieder auf und schießt mit einem Stoß die ganze Giftladung aus ihrem Beutel ab. Feuer! Der Specht hat keine Zeit gehabt, wieder an Höhe zu gewinnen. Geblendet kommt er von seiner Bahn ab, streift einen Baumstamm, prallt ab und fällt zu Boden. Es gelingt ihm jedoch zu fliehen, ehe die Mannschaften der Fleischerinnen Bein an ihn gelegt haben.
    Aus diesem Zwischenfall erwächst Nr. 103 683
    beträchtliches Prestige. Niemand weiß, daß sie ihre Angst durch eine noch viel größere überwunden hat.
    Die Kreuzzüglerinnen gewöhnen sich nun an, sich auf den Mut von Nr. 103 683 zu beziehen, auf ihre Erfahrung, auf ihre Geschicklichkeit beim Schießen. Wer sonst hätte es geschafft, einen großen Raubvogel mitten im Flug aus der Bahn zu werfen? Diese gestiegene Beliebtheit hat noch etwas anderes zur Folge: Zum Zeichen liebevoller Vertrautheit wird ihr Name zum Kosenamen verkürzt. Von nun an nennen alle Kreuzzüglerinnen sie nur noch Nr. 103.
    Ehe sie sich wieder auf den Weg machen, ergeht an diejenigen, die Spechtkot abbekommen haben, der Rat, sich Trophallaxen zu verkneifen, um die anderen nicht anzustecken.
    Nachdem die Reihen sich wieder geschlossen haben, nähert Nr. 23 sich Nr. 103.
    Was ist los? Nr. 24 ist verschwunden. Sie wird eine Weile lang vergeblich gesucht. Der Schwarzspecht hat doch keine von ihnen geschnappt! Das Verschwinden von Nr. 24 ist sehr ärgerlich, weil mit ihr der Schmetterlingskokon der Mission Merkur abhanden gekommen ist.
    Unmöglich, die anderen davon in Kenntnis zu setzen.
    Unmöglich, noch

Weitere Kostenlose Bücher