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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Verheerung, die der Kreuzzug hinterläßt, finden sich jetzt auch verhungerte Ameisen.
    Angesichts dieser katastrophalen Lage sprechen Nr. 9 und Nr. 103 sich ab. Sie schlagen vor, daß die Aufklärerinnen in Gruppen von fünfundzwanzig losziehen. Mit einem solchen Fächer vorneweg dürften sie logischerweise viel unauffälliger und damit für die Bewohner des Waldes weniger bedrohlich sein. Diejenigen, die murren und von Rückzug sprechen, bekommen klipp und klar zur Antwort, der Hunger müsse sie vielmehr zur Eile antreiben, nach vorn. Nach Osten. Ihr nächstes Wild seien Finger.
     

89. DIE SCHULDIGE WIRD ENDLICH GEFAßT
     
    In ihrer Wanne ausgestreckt und ihrem Lieblingsvergnügen, dem Tauchen mit angehaltenem Atem, hingegeben, ließ Laetitia Wells ihre Gedanken schweifen. Sie stellte fest, daß sie schon lange keinen Liebhaber mehr gehabt hatte, sie, die sie so viele besessen hatte und ihrer immer so schnell überdrüssig geworden war. Sie dachte sogar daran, sich Jacques Méliès ins Bett zu holen. Er brachte sie manchmal zwar ein wenig auf, hatte jedoch den Vorteil, da zu sein, in Reichweite, und das in einem Augenblick, da sie das Bedürfnis nach einem männlichen Wesen verspürte.
    Ach, es gab auf der Welt so viele Männer … Aber keinen aus dem gleichen Stoff wie ihr Vater. Ihre Mutter Ling-Mi hatte Glück gehabt, daß sie sein Leben teilen durfte. Ein Mann, der allem gegenüber offen war, spontan und lustig, der gerne Scherze machte. Und liebevoll, so liebevoll! Niemand konnte Edmond das Wasser reichen. Sein Geist war ein Raum ohne Grenzen. Edmond funktionierte wie ein Seismograph, er registrierte sämtliche geistigen Erschütterungen seiner Zeit, alle gewichtigen Ideen, er machte sie sich zu eigen, verarbeitete sie … und spuckte sie neu wieder aus, als seine eigenen Ideen. Die Ameisen waren bloß ein Vorwand gewesen. Ebensogut hätte er die Sterne, die Medizin oder den Widerstand der Metalle studieren können, er hätte genauso Hervorragendes geleistet. Er war ein wahrhaft universeller Geist gewesen, ein Abenteurer von besonderem Schlag, ebenso bescheiden wie genial.
    Vielleicht gab es irgendwo einen zweiten Mann mit genauso gewandtem Verstand, der sie unablässig in Erstaunen versetzen und nie langweilen würde? Bisher hatte sie noch keinen solchen kennengelernt …
    Sie stellte sich vor, eine Kontaktanzeige aufzugeben:
    »Abenteurer gesucht …« Die Antworten schreckten sie schon im vorhinein ab.
    Sie steckte den Kopf aus dem Wasser, holte tief Luft und tauchte wieder unter. Ihre Gedanken hatten einen anderen Weg eingeschlagen. Ihre Mutter, der Krebs …
    Da ihr plötzlich die Luft ausging, tauchte sie wieder auf. Ihr Herz pochte heftig. Sie stieg aus der Wanne und schlüpfte in ihren Bademantel.
    An der Tür klingelte es.
    Sie nahm sich die Zeit, sich ein bißchen zu beruhigen, dreimal lang ausatmen, dann ging sie zur Tür.
    Wieder Méliès. Sie fing bereits an, sich an seine Überfälle zu gewöhnen, aber jetzt zweifelte sie doch, ihn wiederzuerkennen.
    Er trug Imkerkleidung, sein Gesicht war durch einen Strohhut mit Musselinschleier maskiert, und er trug Gummihandschuhe.
    Sie runzelte die Stirn, als sie hinter dem Kommissar drei Männer sah, die genauso ausstaffiert waren. Eine dieser Silhouetten erkannte sie als Inspektor Cahuzacq wieder. Sie unterdrückte ein Lachen.
    »Kommissar! Was hat dieser maskierte Besuch zu bedeuten?«
    Es kam keine Antwort. Méliès trat zur Seite, und die beiden nicht identifizierten Masken – mit Sicherheit zwei Polypen –
    kamen näher; dann schloß ihr der Kräftigere von beiden eine Handschelle ums rechte Handgelenk. Laetitia Wells glaubte zu träumen. Der Gipfel war, als Inspektor Cahuzacq mit von der Maske entstellter und gedämpfter Stimme herunterleierte: »Sie sind verhaftet. Die Anklage lautet auf Mord und Mordversuch.
    Von jetzt an kann alles, was Sie sagen, gegen Sie verwendet werden. Natürlich haben Sie das Recht, jede Aussage zu verweigern, solange Ihr Anwalt nicht dabei ist.«
    Dann zerrten die Polizisten Laetitia zu der schwarzen Tür hinüber und pflanzten sich davor auf. Méliès lieferte eine schnelle und brillante Demonstration seiner Talente als Einbrecher: Die Tür hielt ihm nicht stand.
    »Sie hätten mich um den Schlüssel bitten können, anstatt alles zu demolieren!« protestierte die Verhaftete.
    Vor dem Terrarium mit den Ameisen und einem Arsenal an Computern stockten die vier Polizisten.
    »Was ist das?«
    »Vermutlich die Mörder der

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