Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
Vom Netzwerk:
verlief sie sich in der Stadt, und sobald sie Gelegenheit bekam, den Ameisenhaufen zu verlassen, fing sie an, sich in der Natur zu verlaufen.
    Am Ende jeder ihrer Expeditionen gab es einen Augenblick der Unsicherheit, wenn eine andere Ameise fragte: Wo ist nur Nr. 24 abgeblieben?
    Die arme Jägerin stellte sich im übrigen die gleiche Frage: Wo bin ich?
    Sie hatte zwar das Gefühl, diese Blume, dieses Stück Holz, diesen Felsen, dieses Gestrüpp schon einmal gesehen zu haben, obwohl … diese Blume vielleicht doch eine andere Farbe hatte.
    Meistens lief sie dann auf der Suche nach der Pheromonpiste ihrer Expedition im Kreis herum.
    Dennoch wurde sie immer wieder auf die Pfade der Großen Außenwelt geschickt, denn durch ein merkwürdiges genetisches Versehen hatte Nr. 24 für eine Geschlechtslose ein hervorragendes Sehvermögen. Ihre Augenkugeln waren fast so gut entwickelt wie bei den Fortpflanzungsfähigen. Sie wiederholte immer wieder, daß sie zwar gute Augen hatte, nicht aber gute Antennen, doch alle Missionen wollten sie dabeihaben, um durch Nr. 24 eine gute Sichtkontrolle über den Ablauf zu haben. Und immer wieder rannte sie in die Irre.
    Bisher war es ihr stets so recht und schlecht gelungen, wieder ins Nest zurückzukehren. Doch diesmal ist es anders, das Ziel heißt nicht, wieder ins Nest zurückzukehren, sondern ans Ende der Welt zu kommen. Ob sie dazu in der Lage ist?
    In der Stadt bist du ein Teil der anderen, allein bist du ein Teil des Nichts, wiederholt sie für sich selbst. Gen Osten. Sie läuft dahin, verzweifelt, verlassen, dem erstbesten Räuber ausgeliefert. Sie marschiert schon lange, als sie auf einmal von einer deutlichen Bodensenke aufgehalten wird, die einen guten Schritt tief ist. Sie untersucht ihren Rand und stellt schließlich fest, daß es sich um zwei benachbarte Senken handelt, zwei flache Vertiefungen, von denen die größere die Hälfte eines Ovals darstellt, die andere, tiefere einen Halbkreis bildet. Die Durchmesser dieser beiden sonderbaren Abdrücke verlaufen parallel und liegen etwa fünf Schritt auseinander.
    Nr. 24 schnuppert, tastet, leckt, schnüffelt noch einmal. Der Geruch ist genauso ungewöhnlich wie der Rest. Unbekannt, neu … Nach anfänglicher Verwirrung wird Nr. 24 von einer lebhaften Erregung erfaßt. Sie hat keine Angst mehr. Im Abstand von ungefähr sechzig Schritt folgen weitere Riesenspuren. Nr. 24 ist sich absolut sicher, daß sie es mit Spuren von Fingern zu tun hat. Ihr Wunsch ist erhört worden.
    Die Finger leiten sie, zeigen ihr den Weg!
    Sie läuft auf der Fährte der Götter. Endlich wird sie ihnen begegnen.
     

87. DIE GÖTTER SIND ZORNIG
     
    Fürchtet Eure Götter.
    Eure Opfergaben sind zu wenig,
    Zu dürftig für unsere Größe.
     
    Ihr behauptet, der Regen habe Eure Speicher zerstört.
    Das war Eure Strafe,
    Denn ihr habt uns nicht genug Opfergaben gebracht.
     
    Ihr behauptet, der Regen habe Eure Rebellinnenbewegung dezimiert. Laßt sie stärker als zuvor wiedererstehen.
     
    Lehrt alle die Macht der Götter!
    Gebt Selbstmordbefehle aus
    Und räumt die Speicher der Verbotenen Stadt.
     
    Fürchtet Eure Götter!
     
    Die Finger können alles, denn die Finger sind Götter.
    Die Finger können alles, denn die Finger sind groß.
    Die Finger können alles, denn die Finger sind mächtig.
     
    Das ist die Wahrheit.
     
    Die Finger schalten die Maschinen ab und sind stolz darauf, Götter zu sein.
    Nicolas legt sich unauffällig wieder hin. Mit offenen Augen träumt er lächelnd vor sich hin. Wenn er eines Tages lebendig aus diesem Loch herauskommen sollte, dann wird er was zu erzählen haben: seinen Schulkameraden, der ganzen Welt! Er wird die Notwendigkeit von Religionen erklären. Und er wird berühmt werden, indem er beweist, daß es ihm gelungen ist, den religiösen Glauben in der Welt der Insekten zu verankern.
     

88. ERSTE SCHARMÜTZEL
     
    Bereits in den Gebieten unter belokanischer Kontrolle ist die Zahl der Opfer und das Ausmaß der durch den Vorbeimarsch des ersten Kreuzzugs angerichteten Schäden beträchtlich.
    Die roten Soldatinnen fürchten sich nämlich vor nichts.
    Einem Maulwurf, der zwischen dieser Masse von Ameisen hat wühlen wollen, bleibt gerade die Zeit, vierzehn Opfer zu verschlingen. Schon sind die Ameisen über ihm und zerstückeln ihn. Über den langen Zug legt sich ein Mantel des Schweigens. Vor ihm verschwindet alles. So folgen der anfänglichen Jagdbegeisterung die Not und unverzüglich der Hunger.
    In der Schneise der

Weitere Kostenlose Bücher