Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
Vom Netzwerk:
sieht’s interessant aus. Sie läßt ihre Flügel langsamer schlagen. Die Biene kreist über wilden Narzissen, taucht ihre Beine in die Staubbeutel unbekannter Blüten, merkt bei längerem Nachdenken, daß es Margeriten sind, stößt ihre feine Vielfachzunge in das gelbe Puder und kehrt dann ein paar Augenblicke später zurück, die Schenkelchen mit frischen Pollen überzogen.
    Sie landet auf der Flugpiste des Bienenstocks und fängt sofort an, auf einer Frequenz von 280 Hertz mit den Flügeln zu schlagen.
    Bsssss bsss bsss. 280 Hertz sind die Frequenz, mit der eine Biene eine möglichst große Zahl Arbeiterinnen zusammenscharen kann, die mit Futterfragen befaßt sind.
    Mit 260 Hertz würde sie Arbeiterinnen anziehen, denen die Verwaltung und die Sorge für die Brut obliegt. Mit 300 Hertz würde sie Kriegsalarm auslösen.
    Die Kundschafterin stellt sich auf ein Sechseck aus Wachs und beginnt zu tanzen. Auch diesmal zeichnet sie Achten, jedoch zweidimensionale, auf der Fläche des gewachsten Bienenstockbodens. Rasch erzählt sie von ihrem Abenteuer.
    Sie gibt die Richtung an, die Entfernung und die genaue Güte der Blütengruppe, die sie besucht hat. Ihrer Meinung nach sind es Margeriten.
    Da die Quelle relativ nah liegt, tanzt sie schnell, ansonsten würde sie sich mehr Zeit lassen. Ein wenig so, als würde sie die Anstrengung des weiten Flugs nachahmen wollen.
    In ihren »getanzten« Bericht bezieht sie auch die Position der Sonne und deren Bewegungsrichtung mit ein.
    Kameradinnen laufen herbei. Sie haben verstanden, daß es zahlreiche Blüten abzuernten gibt, aber sie möchten etwas über die Güte dieser Quelle wissen. Manchmal sind die Blumen mit Vogelkot bedeckt, manchmal sind sie verwelkt, manchmal sind sie schon von Bienen aus einem anderen Stock geplündert.
    Einige klopfen nervös mit ihrem Hinterleib auf die Wachswaben.
    Wir wollen Näheres wissen, sagen sie in der Bienensprache.
    Die Aufklärerin läßt sich nicht lange bitten. Sie würgt ihren Pollen heraus: Probiert, meine Schönen, ihr werdet sehen, es ist erste Wahl!
    Dieser Tanz, dieser Dialog, dieser Austausch findet in völliger Dunkelheit statt, aber am Ende hebt eine Gruppe zu einer Mission ab, deren Einzelheiten sie schon größtenteils kennen.
    Ermattet stopft die Kundschafterin die Proben, die sie zum Beweis mitgebracht hatte, wieder in sich hinein. Dann begibt sie sich zum königlichen Gemach, wo sich die Königin der askoleinischen Bienen befindet, Nr. 67 mit dem Namen Zaha-haer-scha.
    Diese war am Ende eines Kampfes, den sie mit etwa zwanzig ihrer königlichen Schwestern auszutragen hatte, auf den Thron des Bienenkönigreichs gelangt. Die Bienen erzeugen stets zu viele Königinnen, aber da sie nur eine pro Stadt brauchen, kämpfen diese in der Gebärkammer, bis nur noch eine als Siegerin übrig bleibt.
    Das ist eine etwas barbarische Auswahlmethode, aber sie gestattet es, an die Spitze der Stadt die zäheste und kampfeslustigste Biene zu stellen.
    Die Bienenkönigin, zu erkennen an ihrem einfarbig gelben Hinterleib, lebt vier Jahre lang, und wenn alles gutgeht, kann sie pro Tag tausend Eier legen.
    Der Bienenstock Askolein befindet sich ostnordöstlich des Ameisenhügels Bel-o-kan. Es ist eine perfekte Stadt, in deren orangefarbenen Wachswaben unzählige Sammlerinnen wimmeln. Hier glänzt und duftet alles. Gelb, schwarz, rosa und orange. Arbeiterinnen geben sich von Bein zu Bein den kostbaren Honig weiter.
    Ein Stück weiter wird in einem Wachsgefäß das Gelée Royale, die Brutmilch, gebraut.
    Noch etwas weiter befindet sich der Lehrsaal für die jungen Bienen.
    Die Erziehung der Bienen gehorcht stets den gleichen Regeln. Sobald eine Biene aus ihrer Zelle kommt, wird sie von ihren Schwestern gefüttert. Anschließend macht sie sich an die Arbeit. Während ihrer drei ersten Lebenstage beschäftigt sie sich mit Hausarbeiten. Am dritten Tag vollzieht sie eine körperliche Wandlung, woraufhin neben dem Mund die Drüsen erscheinen, welche die Brutmilch erzeugen. Damit wird sie zur Amme. Diese Drüsen verlieren später an Bedeutung, und nach und nach nehmen andere Drüsen am unteren Hinterleib ihre Funktion auf. Es sind die Wachsdrüsen, die das nötige Wachs zum Bauen und Reparieren der Waben absondern.
    So wird die Biene vom zwölften Tag an zur Maurerin.
    Sie errichtet Zellen, aus denen die Wachswaben bestehen.
    Vom achtzehnten Tag an hören auch diese Drüsen auf zu arbeiten. Die Arbeiterin wird dann zur Wächterin, bis sie sich mit der

Weitere Kostenlose Bücher