Der Tag der Ameisen
Außenwelt vertraut gemacht hat, danach Sammlerin.
Sie stirbt als Sammlerin.
Die Kundschafterin kommt in das königliche Gemach. Sie will mit ihrer Königin und Mutter über die merkwürdige Ameisenkolonne sprechen, doch diese scheint in eine Unterhaltung vertieft zu sein … mit – sie kann ihren Antennen kaum glauben – … mit einer Ameise. Ausgerechnet. Und dann auch noch einer Ameise von der belokanischen Föderation!
Von weitem fängt sie das Gespräch der beiden Insekten auf.
Was läßt sich da tun? fragt die Bienenkönigin.
Als diese Ameise im Bienenstock ankam, wußte keiner so recht, was sie da zu suchen hatte. Man ließ sie eher vor Überraschung denn aus Sympathie in die goldene Stadt ein.
Was hatte eine Ameise in einem Bienenstock verloren!
Dann berichtete Nr. 23 von den außergewöhnlichen Umständen, die ihr Kommen rechtfertigten.
Die Belokanierinnen, ihre eigenen Schwestern, seien verrückt geworden. Sie hätten einen Kreuzzug gegen die Finger ausgerufen und bereits einen von ihnen getötet. Nr. 23 erklärt, daß der Zug auf jeden Fall die Bienen angreifen werde, die seinen Weg kreuzten. Sie rate der Bienenarmee, die ihr als furchtbar bekannt sei, die Initiative zu ergreifen und die Kolonne der Kreuzzüglerinnen anzugreifen, wenn sie sich im Hahnenfußtal befänden.
Ein Hinterhalt? Du schlägst mir vor, deinen Artgenossinnen einen Hinterhalt zu legen?
Die Bienenkönigin ist überrascht. Man hatte ihr zwar berichtet, daß die Ameisen sich immer sonderbarer aufführen würden, man hat ihr vor allem von den Söldnerinnen erzählt, die im Tausch gegen Futter ihr eigenes Nest bekämpften, aber bisher hatte sie nur so halb daran geglaubt. Es beeindruckt sie sehr, nun eine Ameise vor sich zu haben, die ihr den besten Ort nennt, um die Ihren zu töten.
Die Ameisen sind eindeutig noch viel verkommener, als sie dachte. Falls das nicht eine Falle ist. Diese sogenannte Verräterin könnte zum Beispiel gekommen sein, um die Bienenarmee ins Hahnenfußtal zu locken, während das Gros des Kreuzzugs inzwischen den Bienenstock angreift. Das wäre schon eher zu begreifen.
Die Königin Zaha-haer-scha läßt ihre Rückenflügel vibrieren.
In einer elementaren Duftsprache, die sogar die Ameisen verstehen, fragt sie:
Warum verrätst du die Deinen?
Die Ameise erläutert es ihr: Die Belokanierinnen wollten alle Finger auf Erden töten. Die Finger seien jedoch Teil der Vielfalt der Welt, und wenn die Ameisen ganze Arten ausrotteten, würden sie den Planeten ärmer machen. Jede Art habe ihren Nutzen, und das Genie der Natur erweise sich in der Vielfalt ihrer Lebensformen.
Eine davon zu zerstören sei ein Verbrechen.
Die Ameisen hätten schon viele Tiere massakriert. Sie hätten es wissentlich getan, ohne zu versuchen, sie zu verstehen oder mit ihnen zu sprechen. Ein Teil der Natur sei durch schlichte Unkenntnis ausgelöscht worden.
Die Soldatin Nr. 23 hütet sich zu erklären, daß die Finger Götter seien und sie selbst eine Gottgläubige. Sie sagt nicht, daß »die Finger allmächtig« sind, auch wenn sie es sehr heftig denkt. Wie sollte eine Bienenkönigin schon derart abstrakte Begriffe verstehen?
Sie übernimmt die Argumente der nichtgläubigen Rebellinnen.
Diese Sprache ist leichter für jemanden zu verdauen, der nie einen Gedanken daran verschwendet hat, daß es Götter geben könnte.
Von den Fingern weiß man praktisch gar nichts. Sie haben uns sicher viel beizubringen. Auf ihrer Höhe, bei ihrer Größe sehen sie sich Problemen gegenüber, die wir uns nicht einmal vorstellen können …
Ihrer Meinung nach müsse man die Finger schonen. Oder wenigstens ein paar von ihnen retten, um sie zu studieren.
Diese Sprache versteht die Königin, doch sie sieht sich absolut nicht betroffen von diesem Ameisen-Finger-Krieg. Sie hätten zur Zeit Grenzstreitigkeiten mit einem Nest schwarzer Wespen, die alle ihre militärischen Kräfte mobil machen würden. Nun beginnt die Königin Zaha-haer-scha – nicht ohne ein gewisses Vergnügen – eine Schlacht zwischen Bienen und Wespen zu beschreiben.
Die Fluggeschwader Tausender von Hautflüglern, die durcheinanderschwirren, die Zweikämpfe hoch in den Lüften, die Zusammenstöße von Giftstacheln, die Finten, die Ausfälle, die gekreuzten Befreiungshiebe! Sie gibt zu, eine begeisterte Anhängerin der Kunst des Stachelfechtens zu sein. Und diesen Sport kennen nur die Bienen und Wespen. Es sei nicht leicht, mitten im Flug geschickte Stachelhiebe auszuteilen.
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