Der Tag der Dissonanz
schieres und falsches Glück zu verfolgen. Über das Meer, auf dem Schiff dieser verwandten Seele, ja sogar bis ins Land der streitlustigen Verzauberten. Und als es euch nicht nur gelang, euch aus ihren Fesseln zu befreien, nein, sie sogar noch dazu zu bewegen, euch mit einer Karte zu helfen, da beschloß ich, auf eigene Faust vor euch diesen Laden ›Irgends und Nirgends‹ aufzusuchen und alle Medizinvorräte aufzukaufen, bevor ihr mir zuvorkommt.
Und wieder habt ihr mich in Erstaunen versetzt, nicht etwa durch Schläue oder Scharfsinn, sondern durch schieres, blindes Glück. Also sind Corroboc und ich euch auf eurem Weg durch dieses aufgeblähte Lager nutzloser Güter gefolgt, wobei er gelegentlich aus der Luft eure Position überprüfte, bis ihr freundlicherweise den Gegenstand eurer Suche für mich geortet hattet. Den ich nunmehr auch an mich nehmen werde.« Er blickte an Snooth empor.
»Ich glaube nicht, daß sie über ein Gerät oder eine Medizin verfügt, die sie vor der Schnellwirkung von Hruthgift retten kann. Sobald dieser Behälter seinen Besitzer gewechselt hat, werde ich euch die Waffen abnehmen und euch der zarten Fürsorge meines geduldigen Freundes überantworten. Vielleicht überkommt ihn die Langeweile ja schon, bevor ihr alle tot seid.« Corroboc schnitt mit dem rasiermesserscharfen Schwert säuberliche dünne Scharten in eine seiner Federn, während Zancresta plötzlich wehmütig aussah.
»Ach, der Tag, an dem ich am Bettrand dieses fetten Scharlatans stehe und die kostbare Medizin in den Händen halte, die er so dringend benötigt, gerade noch außerhalb der Reichweite seiner matten Hände... wenn ich ihn dazu zwinge, um sie zu betteln und zu flehen - ja, das wird wahrhaftig ein Tag des Triumphs sein!«
»Was habt ihr mit Wahnwitz gemacht?«
Zancresta wurde aus seiner Träumerei gerissen. »Ach, mein Lasttier und meine Versicherung! Ich habe dich zwar nie gefürchtet, Bannsänger, aber dein Talent arbeitet auf verschlungene und unberechenbare Weise. Manchmal ist es umständlich und lästig, sich mit solchen Unwägbarkeiten abzugeben, und ich mache mir tatsächlich Sorgen wegen des aufbrausenden Temperaments deiner Gefährten.
Da ich um dein geschmacklos zartes, mitfühlendes Wesen weiß, habe ich darauf achtgegeben, das Mädchen streng unter Kontrolle zu behalten, damit sie nicht törichterweise den Versuch unternimmt, zu dir zu kommen, um dort völlig fehlgeleitet ihr Heil zu suchen.«
»Hast du sie hypnotisiert?«
»Mit diesem Ausdruck bin ich nicht vertraut, aber wenn du damit meinen solltest, ob ich ihren schlichten Verstand benebelt habe, um sie mir gefügig zu machen, so lautet die Antwort ja. Allerdings bedarf ich nicht mehr ihrer Dienste für harte Arbeiten, und auch nicht mehr als Rückversicherung gegen deine Unternehmungen.« Er zeigte den Gang entlang.
»Diese Regale führen tief ins Innere des Berges, der, wie du vielleicht bemerkt haben dürftest, vulkanischen Ursprungs ist. Ich vermute, daß jeder Gang an einem ziemlich heißen Ort endet. Vielleicht lagert die Besitzerin dort Waren, die nach beständiger Wärme verlangen. Da ich selbst von warmherzigem Wesen bin, entließ ich das Mädchen und wies es an, zum Ende des Gangs zu schlendern. Auf Corrobocs Schiff hat sie eine dunkle Hautfärbung angenommen, die sich, wie ich zu vermuten wage, wohl sehr schnell in Rot verwandeln dürfte, wenn sie in den glühendheißen Kern dieses Bergs stürzt.«
Jon-Tom wich einen Schritt zurück, und Zancresta hob seinen seltsamen Mehrfachpfeilwerfer. »Laß sie ziehen. Sie ist unwichtig und völlig ungefährlich.«
Hinter Roseroar blitzte es golden auf. Zancresta hob erneut seine Waffe, doch eine gefiederte Kralle legte sich auf seinen Arm.
»Nein, laß den Gehörnten ziehen«, fauchte Corroboc. »Ich habe eigentlich nichts gegen ihn. Er wird das Mädchen ohnehin nicht mehr rechtzeitig retten, und ich will diese drei hier lebend und bei vollem Bewußtsein haben.« Er trat auf die Leiter zu, das Schwert in der einen Hand, die andere Snooth entgegengestreckt. »Die Medizin, wenn's genehm ist, Vettel.«
»Wie du willst.«
»Nein!« rief Jon-Tom. »Gib sie ihm nicht!«
Die Känguruhdame erwiderte entschieden: »Ich mische mich nicht in persönliche Streitigkeiten. Das ist eine Angelegenheit zwischen dir und ihm.« Sie hielt Corroboc den kostbaren Behälter hin. »Da, fang!« Im letzten Augenblick schleuderte sie dem Piratenkapitän den begehrten Gegenstand entgegen.
Corroboc grapschte
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