Der Tag der Dissonanz
begrüßen?« fragte plötzlich eine Stimme, die Jon-Tom nie im Leben wiederzuhören gehofft hatte. Er wandte sich nach rechts.
»Corroboc!«
Der Papagei machte eine halbe Verbeugung. »Ist wirklich nett von dir, daß du dich an meinen Namen erinnerst. Diese Singmagie, die du da auf meinem Kahn abgezogen hast, das war meine eigene Schuld, weil ich nicht erraten hab, daß du mehr im Sinn hattest, als den alten Corroboc zu unterhalten. Aber ich bin kein Typ, der über vergossene Milch weint. Nein, bin ich nicht, auch wenn meine nichtsnutzige Mannschaft sich einen neuen Kapitän gewählt und mich knapp in Flugweite vom Festland ausgebootet hat.
Dann entdeckte ich euer merkwürdiges Schiff und nahm die Fährte auf. Ich kannte ja euer Ziel und dachte mir, ich werd euch verfolgen, bis ich weiß, wie ich euch all die Nettigkeiten heimzahlen kann, die ihr mir erwiesen habt. Im Wald hab ich dann gesehen, wie zwei von euch sich von der Gruppe lösten.« Er nickte zu Jalwar hinüber.
»Als ich gesehen habe, mit welcher Art von Respekt er unsere alte Freundin Wahnwitz behandelt hat, da hab ich mir gedacht, hab ich mir, daß dies nun ein Kamerad nach meinem Geschmack ist. Also habe ich mich zum Plaudern niedergelassen, und nachdem wir ein paar Nettigkeiten ausgetauscht haben, da sind das gute Frettchen und ich uns eins geworden, ha!«
»Dieser Vogel wird uns die Herzen aus dem Leib reißen und darauf herumtanzen«, flüsterte Roseroar Jon-Tom zu. »Da können wia sie auch genausogut gleich angreifen.«
»Immer mit der Ru'e, du überdimensionales Flauschknäuel«, warnte Mudge sie. »Sind noch nicht alle Karten ausgespielt, wa?«
»Flüstert nur, soviel ihr wollt«, fauchte Jalwar, »das wird euch gar nichts nützen.«
Corroboc zog ein kurzes, schlankes Schwert aus der Scheide, die an seiner Hüfte hing. Die Löcher in der Klinge machten es leicht und kräftig. Liebevoll streichelte er die flache Seite der Schneide.
»Schon seit vielen Tagen träume ich von dem Vergnügen unseres Wiedersehens. Ich bitte euch, meinen neuen Freund nicht zu provozieren, auf daß er eurem Leben nicht zu voreilig ein Ende setzt. Ich möchte, daß unsere Begegnung ein für alle erinnerungswürdiges Ereignis wird. Ja, erinnerungswürdig, ha! Seht ihr, ich habe kein Schiff mehr, keine Mannschaft! Alles, was mir bleibt, ist dieser Augenblick, und den will ich nicht überstürzt beendet wissen.«
Plötzlich ging Jon-Tom ein Licht auf, als er sich an Jalwar wandte. »Du arbeitest für Zancresta, nicht wahr? Schon von Anfang an! Daß wir am Nordufer des Glittergeistmeers auf dich stießen, war kein Zufall! Diese Freibeuter haben dich gar nicht angegriffen. Das war nur eine List, um dich bei uns einzuschleimen.«
»'ne passende Metapher«, meinte Roseroar.
»Sag mir eins!« fuhr Jon-Tom ruhig fort. »Wieviel zahlt dir Zancresta für deine Bemühungen, daß Clodsahamp seine Medizin nicht bekommt?«
Das Frettchen brach in schallendes Gelächter aus, wenngleich das Schußende der seltsamen Waffe dadurch nicht in Bewegung geriet. »Wieviel er mir zahlt? Ihr Idioten! Bannsänger? Pah! Ich bin Zancresta! Der Hexer von Malderpot, höchster Meister der mystischen Künste, Erkenner des Unerkannten und Teiler der Schleier! Narren, Bettler von erbärmlichem Wissen, ihr seid blinder als die Troglodyten von Tatrath und dümmer als die Schimmelgewächse, die ihr kümmerliches Dasein in Felsritzen fristen.«
Das Frettchen schien unter ihren Augen anzuschwellen, obwohl sich weder Jalwars Größe noch seine Gestalt wirklieh veränderten. Doch sein gebeugter Rücken straffte sich, und ein unheiliges inneres Licht begann aus den plötzlich abgrundtiefen Augen hervorzuschimmern, während um ihn herum eine kaum wahrnehmbare dunkle Aura des Bösartigen entstand.
»Ich hätte nicht gedacht, daß ihr überhaupt soweit kommt, nicht ein einziger von euch! Aber wenn ein Bannsänger mit im Spiel ist, und sei er noch so untauglich, dann kann es niemals Sicherheit geben. Als ihr also aus Malderpot geflohen seid und meine Schergen eure Fährte im Wald verloren, beschloß ich, euch selbst aufzuspüren. Euer kühner und unvorhergesehener Marsch in die Wirrwarr-Moore hat mich anfänglich getäuscht, das gebe ich zu. Doch nur für kurze Zeit, dann gelang es mir gerade noch rechtzeitig, euch an den Ufern des Glittergeistmeers abzufangen und mein kleines Theaterstück aufzuführen.
Ich glaubte nicht, daß ich lange bei euch bleiben würde, doch wo immer ihr hinkamt, schienen euch
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