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Der Tag der Dissonanz

Der Tag der Dissonanz

Titel: Der Tag der Dissonanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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Fesseln.
    Der Wärter blieb weiterhin auf Distanz. »Ich warne dich, Bannsänger. Mach dieser Magie auf der Stelle ein Ende!« Den stachligen Rücken an die Mauern drückend, bewegte er sich vorwärts, bis er nahe am Gitter stand. Von dort aus war er dazu in der Lage, den Gefangenen mit der Speerspitze zu stechen. Die war äußerst spitz und scharf.
    »Ich kann es nicht beenden! Ich weiß nicht, was ich getan habe, und ich weiß auch nicht, was hier vorgeht.«
    »Ich glaube dir nicht.« Die Stimme des Wärters hatte einen schrillen Ton angenommen, und nun stach er völlig ernstgemeint mit seinem Speer nach Jon-Tom.
    Plötzlich kam ein lautes Peng! aus der Gaswolke. Der glühende Zylinder löste sich auf, um eine gewaltige, kräftige Gestalt von mindestens zwei Meter Größe zu offenbaren, die in der Zellenmitte stand. Sie mußte sich zusammenducken, um nicht gegen die Zellendecke zu stoßen.
    Mudge drückte sich wimmernd an die Wand, während Jon- Tom in Panik über seinen letzten Song nachdachte. Dieser so gleichgültig heruntergesungene Song, der offenbar viel wirkungsvoller gewesen war als alle seine mit Sorge und Angst geladenen Vorgänger. Der Titelsong aus diesem Rockyfilm... wie hieß er doch gleich?
    Ach so, ja. ›Eye of the Tiger.‹ * ›Auge des Tigers‹ - Anm. d. Übers .

IV
    Tatsächlich waren es zwei Augen, und sie starrten verdutzt umher. Jon-Tom hatte noch nie zuvor einen weißen Tiger gesehen, schon gar keinen in Rüstung, der auf zwei Beinen stand. Ein Rock aus Leder- und Messingstreifen umhüllte den Körper von der Hüfte bis zu den Knien. Zusätzliche Panzerung schützte die hinteren Seiten von Armen und Beinen und war mit gekreuzten Lederriemen befestigt. Ein kunstvoll verzierter Messinghelm bedeckte den Kopf, und den dünnen Nasenschutz zierte eine verschlungene Inschrift. Aus Löchern im Oberteil des Helms ragten die spitzen Ohren heraus.
    Der riesige pelzige Schädel blickte in alle Richtungen und machte seine Besitzerin mit der unerwarteten Umgebung vertraut. Schwarzweiße Ohren zuckten nervös, als eine Vierteltonne Tiger sich zu orientieren versuchte. Pranken fuhren an Scheiden, und einen Augenblick später hielt jeder der beiden ein eineinhalb Meter langes Schwert mit rasiermesserscharfer gezackter Schneide empor.
    »Bei allen neun Katzendämonen, was is'n hia los? Will wohl meinen, daß ich 'n Anspruch darauf habe, zu erfaan, was hia los is, sons is die Hölle los!« Geschlitzte Pupillen konzentrierten sich auf die Gitterstäbe. Die Tigerin trat einen Schritt vor und funkelte den zitternden Stacheleber an. »Du da! Wo sind wir hia? Warum bin ich eingesperrt? Wennde mia nich schleunigst Antwort gibst, mach ich 'n Halsband aus deinen Rückenwirb'ln!«
    »W... W... Wachen!« stammelte der Stacheleber. Es war nicht lauter als ein Flüstern. Als er merkte, daß sein Ruf nicht weit trug, rief er lauter: »Wache!«
    »Lenk nich ab, un red mit mia!« Weiblich, entschied Jon- Tom. Donnernd, aber unverkennbar weiblich. Die Erscheinung war eine Sie. Sie drehte sich um und musterte Mudge. »Du da! Warum redet 'r nich mit mia?«
    »Sprichst du mit mir, Liebchen?« fragte Mudge zögernd.
    Sie griff hinab, hob ihn mühelos mit einer Pranke hoch und stellte ihr zweites Schwert in Greifweite ab. Wenn sie voll ausgefahren waren, hatten ihre Krallen beinahe die! Länge von Mudges Fingern.
    »Na, mit wem soll ich wohl sons red'n, du kleiner Schwamm?«
    »Treff mich der Blitz, Liebchen, aber daran hab ich noch gar nich gedacht!«
    »Wachen!« Plötzlich fiel dem Stacheleber ein, daß mit seiner Stimme offenbar nicht sonderlich viel Hilfe herbei zurufen war, daß es aber sicherlich ganz wirkungsvoll sein könnte, statt dessen die Füße zu benutzen. Und so rannte er mit unverhoffter Geschwindigkeit die Treppe hinauf. »Wachen, helft mir!«
    »He, du!« Die Tigerin ließ Mudge fallen, der sich sofort in den hinteren Teil der Zelle zurückzog. »Komm zurück! Horste nich?«
    »Er glaubt, daß du eine Gefahr für ihn bist.«
    »Was war das?« Zum ersten Mal richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf Jon-Tom.
    »Er glaubt, daß du für ihn eine Gefahr bist. Weil du hier drinnen bei uns bist.«
    »Bis aba verdammt groß für'n Menschen!«
    »Und du bist auch verdammt groß.« Er zerrte weiterhin an den Handschellen, die ihn an die Gitterstäbe der Zelle banden.
    »Was is das hia für 'n Oat?« Sie drehte sich langsam um die eigene Achse, um das Gefängnis sorgfältiger zu inspizieren. Sie wirkte nicht verängstigt.

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