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Der Tag der Dissonanz

Der Tag der Dissonanz

Titel: Der Tag der Dissonanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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die Untersuchung ihrer Fingernägel abgeschlossen und widmete sich nun ihren Zehen, die sie mit einem buddhaähnlichen glasigen Blick anglotzte.
    MacReady schnippte benommen die Kippe des Sinsemilla- Joints über Bord, als wäre sie mit Zyankali versetzt, und _ sagte laut und deutlich: »Holy shit!« Dann ließ er sich hart in den Steuersitz fallen und jagte den großen Außenbordmotor auf Hochtouren.
    »Nein, warte!« kreischte Jon-Tom. »Warte!« Er versuchte, mit einem Kopfsprung das Wasser zu erreichen, und es bedurfte Roseroars gesamter nicht unerheblicher Kraft, um ihn daran zu hindern, sich selbst zu ertränken. In seinem gegenwärtigen Zustand konnte er nicht einmal im Wasser treiben, ganz zu schweigen vom Schwimmen.
    »Imma mit der Ruhe, Jon-Tom! Was is'n bloß los mit dia?‹ Er riß sich von ihr los, rannte durch die Luke in den Schiffsraum hinunter und hantierte an dem Dieselmotor herum. Er brauchte zwar drei Anläufe, doch diesmal gelang ihm der Start. Dann jagte er, kroch und flog gleichzeitig die Treppe hinauf zur Steuerradkonsole. Der Kompaß bebte. Er hieb auf einen Knopf. Unter dem Schiff ertönte ein Gurgeln, zögerte, verstummte wieder. Wieder drückte er auf den Knopf. Diesmal machte es wirrr, wirrr .
    Mudge kam vom Bug herbeigrannt. »Was zum Teufel geht denn da 'inten vor?«
    Roseroar stand etwas abseits, bewachte die Reling und musterte die anderen etwas verunsichert. »Da sind Leute in 'nem Boot. Muß Land in der Nähe sein.«
    »'ab ich ge'ört. Is doch verdammt phantastisch. Lotsen die uns 'in?«
    »Ich glaube, die haben vor irgend etwas Angst«, meinte Roseroar.
    Jon-Tom weinte, weinte und stach unentwegt nach dem Schalterknopf. »Ihr versteht das nicht, ihr versteht das nicht!« Das Geräusch des Außenbordmotors des Wasserskiboots verlor sich in der Ferne. Noch immer weigerte sich die Maschine mitzuspielen.
    Dann erscholl ein tiefes Grollen. Roseroar machte einen Satz und packte die Reling, als sich das Schiff in Bewegung setzte.
    »Wo sind sie?« rief Jon-Tom und versuchte gleichzeitig, zu steuern und den Nebel abzusuchen. »In welche Richtung sind sie gefahren?«
    »Ich weiß es nicht, Jon-Tom«, sagte Jalwar hilflos. »Ich habe es nicht gesehen.« Er zeigte unsicher in den Nebel abseits des Bugs. »Dort entlang, glaube ich.«
    Jon-Tom gab mehr Gas, und der Dieselmotor reagierte mit voller Kraft. Sie konnten nicht weit entfernt von Nassau sein. Das Vierergespann aus New York hatte lediglich einen Nachmittagsausflug unternommen. Außerdem hatten sie nur Badekleidung getragen und vergleichsweise wenig Vorräte mitgeführt. Mit Sicherheit war die Insel ganz nahe! Und von Nassau aus wäre es nur noch ein kurzer Flug zur Küste von Florida. Nach Hause, nach Miami, Disneyworld, Hotels und nachmittags Seifenopern im Fernsehen. Absichtlich verdrängte Bilder sprangen ihm wieder ins Bewußtsein: zu Hause.
    Er war zu Hause.
    So benommen war er von Hoffnung und Freude, daß er sich keine Gedanken darüber machte, welche Reaktionen es hervorriefe, wenn er mit Wesen wie Mudge und Jalwar und Roseroar im Schlepp in Nassau ankäme. Doch das war alles unwichtig. Alles.
    Ohne es zu wollen und ohne es auch nur vorzuhaben, hatte er sich mit einem Zauberlied nach Hause gesungen.

VII
    Er klammerte sich verzweifelt an diesem Gedanken fest, als der Tag der Nacht zu weichen begann. Noch immer kein Anzeichen von Nassau oder irgendeiner der anderen Bahama- Inseln. Keine Spur von Freizeitbooten, die durch die ruhige Karibik zogen. Keine Positionslichter an der Küste, die ihnen den Weg gezeigt hätten. Nur der immer währende Nebel und ein gelegentlicher Blick auf einen Halbmond, der hoch am Himmel glitzerte und mit silbernem Auge aufmerksam seine schwindenden Hoffnungen bewachte.
    Am nächsten Morgen stand er noch immer am Steuer. Der Nebel war vom Himmel geflohen, um sich statt dessen träge in seinem Herzen auszubreiten. Man konnte meilenweit in alle Richtungen blicken. Doch nirgendwo war auch nur die Andeutung einer Kokospalme zu sehen, eines flachen Inselchens oder der warmen Glasund-Stahl-Fassade eines Hilton-Hotels. Erst als der Dieselmotor tuckernd seinen Geist aufgab, weil der Treibstoff verbraucht war, löste er sich erschöpft vom Ruder.
    Und was das schlimmste war: Er war nüchtern geworden. Raserei und Verzweiflung hatten die durch den Bannsang ausgelöste Trunkenheit aus seinem Körper vertrieben. Es war eine böse Ironie: Er hatte die Kontrolle über seine Sinne erst wiedergewonnen, als er keine

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