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Der Tag der Dissonanz

Der Tag der Dissonanz

Titel: Der Tag der Dissonanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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überhaupt kein Wasserskiboot voller bekiffter Börsenmakler aus New York existiert. Vielleicht war die ganze Episode ein Produkt seiner Trunkenheit gewesen.
    Nur daß Mudge und Roseroar und Jalwar sie ebenfalls gesehen hatten.
    Die letzten Spuren des Rauschs hinterließen in seinem Inneren eine erschreckende Kälte. Es war schon schlimm genug, daß das Schicksal ihn in diese fremde Welt katapultiert hatte. Nun hatte es sich auch noch dazu entschlossen, ihn mit einem kurzen Blick auf die Wirklichkeit, auf sein Zuhause, zu ärgern. Er fühlte sich wie ein armes Kind, das man am Weihnachtsabend gezwungen hatte, sich vor dem Schaufenster eines Spielwarenladens aufzustellen.
    Er schob die Duar auf den Bauch und versuchte es noch einmal mit dem Song, versuchte die Betonung zu ändern, die Lautstärke der einzelnen Strophen. Doch nichts funktionierte: Der Song blieb ein Song und nicht mehr.
    Er versuchte es mit anderen Songs - mit demselben Ergebnis. Er sang alles, an das er sich erinnern konnte, das irgendwie, und sei es noch so entfernt, mit Heimkehr und Heimweh zu tun hatte. Die Schaluppe John B. durchschnitt säuberlich die Wellen und fuhr unter Roseroars erfahrener Steuerung stramm auf Kurs Südwest. Es war keine Spur von Land zu sehen, die ihn aufgeheitert hätte. Nur die Delphine mit ihren endlosen abgedroschenen Witzen.
    »Segel ahoi!« rief Jalwar plötzlich, der oben im Großmast hing. Jon-Tom schob seine eigenen Sorgen beiseite und gesellte sich zu Mudge am Bugspriet. Er konnte soviel starren, wie er wollte, er sah nichts als kahlen Horizont vor sich. Mudge hatte jedoch keine Schwierigkeiten, es dem Frettchen an Sehschärfe gleichzutun.
    »Ich kann sie ausmachen, Kumpel.«
    »Wie sieht sie denn aus?«
    »Ganze normale Takelage, nich wie dieses Ding.« Jon-Toms letzte Hoffnung verflüchtigte sich. Also kein Schnellboot.
    »Groß, mit zwei Rei'en Ruder. Und das gefällt mir nich.«
    »Warum nicht?«
    »Denk doch mal nach, Kumpel! Nur ein Narr versucht über ein Meer zu rudern. Nur ein Narr... oder Leute, die keine andere Wahl 'aben.«
    Der Besucher kam mit großer Geschwindigkeit auf sie zu. Schon bald konnte Jon-Tom die Umrisse des fremden Schiffs ausmachen. »Kannst du eine Flagge erkennen?«
    Mudge starrte angestrengt in die Ferne. Dann packte ihn ein Zittern. »Mehr 'at sie nich geflaggt: nur 'n 'erz mit 'nem Messer, das drin steckt, flattert vom Rahnock. Piraten.« Er rannte zum Heck, und Jon-Tom eilte ihm nach.
    »Ich dachte, daß nur Handelsschiffe das Glittergeistmeer befahren.«
    »Ja, 'ändler und solche, die ihnen auflauern.« Der Otter vollführte einen hektischen Tanz um Roseroar. »Tu doch was, du verdammte riesige Karikatur einer Kurtisane!«
    Roseroar riß das Ruder hart herum und sagte gelassen: »Die hab'n uns wahrscheinlich sowieso schon gesichtet.«
    »Jon-Tom, sing ein Bannlied, damit wir aus dieser Lage befreit werden!« Inzwischen näherte sich die riesige Gestalt des Piratenschiffs immer schneller ihrem Heck. Fremdartige Wesen hingen im Tauwerk, und die Doppelreihen der Ruder tauchten in vollkommener Harmonie ein und aus.
    »Is nicht genug Wind«, bemerkte Roseroar. »Was wia hab'n, weht zwar von hinten, aba die erhöh'n ihre Segelgeschwindigkeit durch ihre Ruda.«
    Jon-Tom versuchte gerade, die Duar vom Hals zu lösen, wo sie sich verheddert hatte. »Unser Motor hat keinen Dieseltreibstoff mehr.« Er ertappte sich dabei, wie er den nahenden Koloß fasziniert anstarrte. »Interessante Konturen.«
    »Interessant für'n Arsch!« sagte Mudge aufgeregt. »Wirst scnon se'en, wie interessant es noch werden kann, wenn die uns erst mal entern!«
    »Ich fürchte, ich kenne nicht allzu viele Songs, die von Schiffen handeln«, murmelte Jon-Tom bekümmert und versuchte sich zu konzentrieren. »Und gar keine über Piraten. Wißt ihr, wo ich herkomme, da sind Piraten eine Kuriosität aus der Geschichte. Kein echtes Thema für unsere zeitgenössischen Songwriter.«
    »Pfeif doch aufs Zeitgenössische!« flehte der Otter. »Sing irgendwas!«
    Jon-Tom versuchte ein paar hastige, nur verstümmelt erinnerte Melodien, von denen keine auch nur die leiseste Wirkung auf die John B, oder das nahende Schiff zeigte. Es fiel ihm schwer, sich überhaupt an irgend etwas zu erinnern, denn Jalwar wimmerte und kniete sich gen Norden, während Mudge hysterisch auf dem ganzen Schiff auf und ab hopste, wenn er Jon-Tom nicht gerade ins Gesicht schrie. Dann war keine Zeit mehr zum Nachdenken, als Roseroar rumpelte: »Alles

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