Der Tag der Dissonanz
ersichtlich war. »Also 'at er sich selbst in diesen Zustand gesungen, ohne es zu merken.«
»Ich fürchte, so ist es.«
»Absolut bejammernswert! Warum 'at er denn m i ch nich zum ersten Maat ernannt? Ich komme mit so einem langen Suff doch zehnmal besser zurecht als er! Irgendwann muß er doch wieder da 'erauskommen.«
»Das will ich hoffen«, meinte Jalwar. Er blickte zum Himmel empor. »Vielleicht werden wir wenigstens diesen vermaledeiten Nebel los. Dann bekommen wir vielleicht auch etwas Wind, mit dem wir umkehren können.«
»Also, Kerl, ich 'ab dir doch gerade eben gesagt...«, begann Mudge, doch er wurde von einem Schrei unterbrochen.
Was ihn jedoch zum Schweigen brachte, war weniger der Schrei selbst als sein Ursprung. Es kam aus dem Wasser zur Steuerbordseite.
Dann wurde er wiederholt. »Ahoi! Ahoi, Schaluppe! Was ist los?«
»Was los is?« Roseroar furchte die Stirn und versuchte, im Nebel etwas zu erkennen. »Jon-Tom, wach auf!« Die Segel hingen weiterhin schlaff am Großmast.
»Ha? Wasch?« Jon-Tom lachte noch einmal, dann kämpfte er sich auf die Beine.
»Ahoi, Schaluppe!« Diesmal eine neue, eine weibliche Stimme.
»Wasch... wasch'n dasch?« Er stolperte um die Mittelkabine und versuchte in den Nebel hinauszublinzeln. Weder seine Augen noch sein Gehirn arbeiteten zur Zeit mit optimaler Leistungskraft.
Aus dem Nebel materialisierte plötzlich ein zweites Schiff. Es war ein flacher Außenborder mit perlmuttschimmerndem Fiberglaskörper. Drei... nein, vier Leute saßen in den Vinylsitzen. Zwei Pärchen um die zwanzig, alles Menschen und alle von normaler Größe.
»Was ist los, John B.?« fragte der junge Mann, der hinter dem Steuer stand. Er schien selbst nicht sonderlich stabil auf den Beinen zu stehen. Zwischen den Vordersitzen stand eine Kühlbox voller Eis und Aluminiumdosen. Die Dosen besaßen Etiketten mit Aufschriften wie Coors und Lone Star.
Jon-Tom schwankte. Er halluzinierte; das war der nächste logische Schritt seines geistigen Verfalls. Er beugte sich über die Reling und versuchte, sein verbliebenes Bewußtsein auf die komische Zigarette zu richten, die das Pärchen vorn im Boot immer hin und her reichte. Das andere Pärchen zog sich abwechselnd einen mit einer Glaspfeife ein.
Der große Außenborder trieb lärmend dahin. Eines der Mädchen beugte sich über Bord, um ihre schicke Sonnenbrille im Meer zu säubern. Neben dem Bierkühler stand ein Picknickkorb. Obenauf lag eine große geöffnete Tüte mit Brezeln. Die gewundene dünne Sorte, die wie reines geröstetes Salz schmeckte. Neben der Tüte stand eine Zweipfundbüchse Planter's Redskin Peanuts, und neben dieser wiederum lagen zahlreiche hell leuchtende bunte tropische Früchte.
Er versuchte durch Willensanstrengung nüchtern zu werden. Wenn irgend etwas seinen Geist hätte klären müssen, so doch wohl der Anblick dieses Boots und seiner Insassen. Doch die unkontrollierbare Macht seines eigenen Zaubersingens hielt stand. Was er auch versuchte, der erste Maat blieb betrunken. Er schluckte die Worte hinunter, die ihm auf der Zunge lagen, und versuchte es ein zweites Mal.
»Wer... wer seid ihr?«
»Ich bin Charlie MacReady«, sagte der Steuermann des Boots fröhlich durch seinen eigenen Haschischnebel hindurch. Er lächelte breit und beugte sich zu seiner Freundin hinunter.
»Schau dir nur mal an, wie der Typ da gedröhnt ist! Muß 'ne Wahnsinnsfete gewesen sein!«
Jon-Tom dachte kurz an seinen schillernden Umhang aus Echsenhaut, an sein indigofarbenes Hemd und den Rest seiner Kleider. Dezente Kleidung... in Clodsahamps Welt. Das Mädchen vorn im Boot hatte ziemliche Schwierigkeiten mit ihrer Sonnenbrille. Vielleicht merkte sie nicht, daß die Brille sauber war und daß es ihre Augen waren, die ein Auswaschen vertragen hätten. Sie neigte sich wieder über die Bootskante und fiel beinahe ins Wasser.
Ihr Freund griff nach dem Gummizug ihres Bikinioberteils und riß sie gerade noch heftig genug zurück, um sie im Boot zu behalten. Leider war es auch heftig genug, um gewisse empfindliche Teile ihrer Anatomie zusammen zu quetschen. Sie wirbelte herum, um nach ihm zu schlagen, verfehlte ihn jedoch dank der Wirkungen dessen, was das Vierergespann schon den ganzen Morgen lang geraucht hatte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund ließ sie das in unkontrollierbares Kichern ausbrechen.
Jon-Tom lachte nicht mehr. Er war damit beschäftigt, gegen seine eigenen wirren Gedanken und seinen magisch verseuchten Blutkreislauf
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