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Der Tag der Dissonanz

Der Tag der Dissonanz

Titel: Der Tag der Dissonanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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jemand vorbeikommen und die Sache gefährlich aussehen sollte, werd ich euch mit 'nem Pfiff warnen.«
    Wie sie da im fahlen Licht vor ihm stand, war sich Jon-Tom ihrer Kraft und Macht bewußt, doch etwas an ihren Worten kam ihm merkwürdig vor. »Ich wußte gar nicht, daß Tiger pfeifen können.«
    »Na ja, jedenfalls laß ich es euch schon irgendwie wissen.« Sie machte kehrt und sprang auf den Baum zu.
    Jon-Tom stemmte die Beine gegen die Mauer und zog sich empor. Mudge wartete im Gebäude, um ihm beim Einsteigen behilflich zu sein.
    Jon-Tom fand sich in beinahe völliger Finsternis wieder. »Wo sind wir?« fragte er flüsternd.
    »In 'ner Art Abstellkammer, Kumpel.« Mudges Nachtsicht war um einige Klassen besser als die seines Freundes.
    Doch als sie vorsichtig durch die Dunkelheit schlichen, gewöhnten sich auch Jon-Toms Augen einigermaßen an die Sichtverhältnisse, und er konnte Eimer, Kübel, Berge von Staubtüchern, Bürsten und andere Putzutensilien ausmachen. Mudge blieb an der Tür stehen und drückte die Klinke.
    »Von außen abgeschlossen.« Der Otter suchte den Raum ab und kehrte mit einem Gegenstand zurück, der wie eine Ahle aussah. Er steckte sie ins Schloß und drehte sie behutsam um. Obwohl Jon-Tom selbst nichts hörte, schien der Otter befriedigt ein Geräusch wahrzunehmen. Er steckte die Ahle ein und drückte gegen die Tür.
    Sie öffnete sich lautlos, und Mudge spähte in einen dunklen Schlafsaal hinaus. An der gegenüberliegenden Wand befanden sich Betten, Pritschen, Matten und verschiedene Schlafstätten für Kinder verschiedenster Arten. In einer weiter entfernten Wand blickten Fenster in den Hof mit seinen Bäumen und Springbrunnen hinaus. Im Gegensatz zu den Außenfenstern waren sie nicht vergittert.
    Auf Zehenspitzen schlichen sie aus der Abstellkammer und bewegten sich zwischen Reihen schlafender Kinder und Jugendlicher. Alle wirkten ordentlich gepflegt und blitzsauber. Nicht ein einziges Haar oder Pelzstück lag am falschen Platz. Der Schlafsaal selbst war ebenso angenehm kühl und makellos wie es der Speisesaal und die Empfangshalle gewesen waren.
    »Ich sehe keinerlei Hinweise auf Mißbrauch«, flüsterte Jon- Tom, als sie von Bett zu Bett schlichen.
    Mudge schüttelte zweifelnd den Kopf. »Zu ordentlich, Kumpel. Zu perfekt.« Sie gelangten ans Ende des langen Saals, ohne Wahnwitz zu entdecken. Die Tür war ebenfalls von außen verschlossen. »Und noch was, Kumpel. Zu viele Schlösser hier.« Mit seinem mitgebrachten Werkzeug knackte er auch dieses Schloß.
    Dahinter lag ein kurzer Gang. Eine Treppe führte links ins Parterre. Mudge öffnete das Schloß der gegenüberliegenden Tür, und sie kamen in einen zweiten Schlafsaal.
    Grunzen, Pfeifen und Schnarchen übertönte ihre Schritte, als sie sich daranmachten, auch die zweite Gruppe von Schläfern zu inspizieren. Etwa in der Mitte der Reihe entdeckten sie Wahnwitz. Jon-Tom schüttelte sie sanft wach. Sie wälzte sich herum und öffnete die Augen.
    Ihr Gesichtsausdruck und ihre Verspanntheit ließen keinen Zweifel zu: Sie war völlig verstört vor Angst. Jon-Tom fühlte sich an ihren Ausdruck an Bord des Schiffs erinnert, wenn Corroboc zu erscheinen pflegte.
    Als sie ihn erkannte, schlang sie ihm die Arme um den Hals und begann zu schluchzen.
    »Jon-Tom, Jon-Tom. Und auch du, Mudge! Ich dachte, ihr hättet mich schon vergessen. Ich dachte, ihr wärt abgereist und hättet mich zurückgelassen!«
    »Ich habe dich nicht vergessen, Wahnwitz.« Er war sich nur zu sehr ihrer Formen unter dem dünnen Nachthemd bewußt und stieß sie sanft von sich. »Was ist denn los?«
    Sie blickte wirr um sich. »Ihr müßt mich hier rausholen! Schnell, bevor die Nachtpatrouille aufkreuzt!«
    »Die Nachtpatrouille? Du meinst wahrscheinlich jemanden, der nach euch gucken kommt, nicht wahr?«
    »Nein, ich meine eine Patrouille, Niemand darf nach Nachteinbruch das Bett verlassen. Wenn sie einen erwischen, wird man geschlagen. Nicht so schlimm wie bei Corroboc, aber schlimm genug.«
    »Aber wir waren vorhin schon mal hier und haben überhaupt keine Spuren von...«
    »Jetzt sei kein Blödian, Kumpel«, sagte Mudge gepreßt.
    »Glaubst du etwa, diese Diener der Gestrauchelten sind so dämlich, ihre Schützlinge da zu schlagen, wo man's se'en kann?«
    »Nein, wahrscheinlich nicht. Ihr werdet also geschlagen, wie?«
    Wahnwitz spuckte auf den Boden. »Natürlich nur aus Liebe, versteht sich. Jedesmal, wenn sie einen prügeln, ist es nur aus Liebe. Sie schlagen

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