Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
Schwester, du Missgeburt. Ich bin eine Nachtalbe und du nur ein Vampir , den meine Mutter als dienstbare Kreatur erschaffen hat. Ich brauche deine Hilfe nicht. Und meine Mutter kann ihr Silber behalten.« Sie trat einen Schritt von Rudrogeit fort, dann besann sie sich eines Besseren. Sie wandte sich noch einmal zu dem Vampir hin und nahm ihm den Mantel von den Schultern. »Aber das hier«, sagte sie, »nehme ich mit, um meinen Vertrauten zu wärmen. Was ein Vampir getragen hat, ist für mein Haustier womöglich noch gut genug. Du magst jetzt zu deinen Pflichten als Nadelkissen zurückkehren. Oder als Zielscheibe. Oder zu was auch immer meine Mutter dich sonst noch gebraucht.«
Dann schritt sie stolz die Straße entlang. Erst, als sie um die nächste Ecke außer Sicht war, fielen ihre Schultern wieder herab. Die Schwäche kehrte zurück. Sie wickelte den Mantel um sich und Balgir und wagte einen vorsichtigen Blick um die Häuserkante zurück.
Von Rudrogeit war nichts mehr zu sehen, und die nächtliche Straße vor dem Haus ihrer Mutter lag so verlassen da wie bei ihrer Ankunft.
»Wir sollten auf den Protektor warten!«, sagte Dranjar mürrisch.
Die Anführer der Gnome hatten sich in einem kleinen Saal in der Zitadelle versammelt, nahe der Kanzlei und beim Zugang zum früheren Turm der Fei. Darnamurs Stellvertreter Ganoch war hier, und auch Dranjar und Batha. Hinzu kamen alle Hauptleute der Späh- und der Miliztrupps, die schon vor dem Aufstand zusammengestellt worden waren. Diese Offiziere hatte Ganoch gründlich überprüft, und sie genossen sein Vertrauen. Später hatte es genügt, dass man ein Gnom war, um in die neu gebildeten Einheiten aufgenommen zu werden. Ganoch wollte nicht, dass sich die Gerüchte schon jetzt in diesen Kreisen verbreiteten.
»Uns bleiben drei Tage«, sagte er. »Wir können keine Zeit verlieren. Wenn Darnamur, der Protektor von Daugazburg, zu erscheinen beliebt, will ich ihm einen umfassenden Lagebericht vorlegen können. Dann kann er sich überlegen, was wir den Goblins erzählen und wann wir das tun. Denn das ist eine Entscheidung, die ich ihm wirklich nicht abnehmen möchte.«
»Den Goblins können wir nicht trauen. Ich habe es selbst erlebt!«
Auch der Bote vom Scherbenpass war anwesend. Er war frisch gewaschen und neu eingekleidet, aber nicht sehr ausgeruht. Sie brauchten ihn, weil er als Einziger die Fragen zu der Bedrohung beantworten konnte.
»Die Goblins am Scherbenpass sind ein wilder Haufen«, sagte Dranjar. »Aber auf unsere Goblins können wir uns verlassen.«
Der Bote schnaubte abfällig. Er krempelte die Ärmel hoch und zeigte gerötete Druckstellen, wo die Palastwachen ihn gepackt hatten.
»Goblins sind grob«, meinte Ganoch. »Aber im Augenblick sind sie unsere einzigen Krieger, und wir müssen sie ertragen.«
Batha stand auf, wie es ihre Art war, wenn sie etwas zu sagen hatte. »Die Goblins unterstützen uns nicht aus Treue oder Zuneigung. Sie tun es aus Eigennutz. Ein Goblinhauptmann mit einer noch stärkeren Armee vor den Toren der Stadt ist für sie kein Verwandter, dem sie Loyalität schulden. Er ist ein Konkurrent, der ihre Pläne bedroht!«
»Eine Übermacht vor den Toren könnte das Gleichgewicht in der Stadt zu unserem Nachteil verändern«, wandte Ganoch ein. »Wenn die Lage aussichtslos ist, werden die Hauptleute der Garde sich lieber einem übermächtigen Herrn unterwerfen, als für uns unterzugehen.«
»Einerlei«, befand Dranjar. »Wir brauchen die Goblins. Wir haben keine anderen Krieger, um die Mauern zu bewachen.«
»Zehntausende von Gnomen!«, rief der Bote. »Und es hieß, ihr hättet sie alle bewaffnet.«
»Nicht für den offenen Kampf«, sagte Ganoch.
»Schleichen wir uns doch in das Lager der Goblins, wenn sie vor den Mauern sind«, schlug Dranjar vor. »Tagsüber, in großen Scharen. Dann werden wir gleichzeitig groß und schlachten sie ab, ehe sie wissen, wie ihnen geschieht!«
Einen Augenblick lang herrschte Stille im Saal. Dann schüttelte Ganoch den Kopf. »Das geht nicht. Zu viel flaches Land ohne Deckung. Da kann ein kleiner Gnom leicht zertreten werden. Wir könnten auch nicht alle gleichzeitig angreifen; so genau lässt sich der Angriff nicht abstimmen. Und sobald der erste Gnom angreift, sind alle Goblins gewarnt. Es würde ein Handgemenge geben, das wir nicht gewinnen können.«
»Darnamur hat Gift anmischen lassen«, warf Batha ein. »Und alle neuen Knochenwaffen sind dafür gerüstet. Ein käfergroßer Gnom kann damit einen
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