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Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Titel: Der Tag der Messer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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war still geworden. Die kleinen Händler und Handwerker waren verschwunden. Sie verschanzten sich hinter den geschlossenen Türen ihrer Werkstätten. Die wenigen Passanten liefen mit gesenktem Kopf dahin und beeilten sich, an ihr Ziel zu gelangen.
    Frafa hatte kein Ziel.
    Sie stolperte durch die Straßen, bog hier ab und dort und wagte nicht, stehen zu bleiben und genauer nachzudenken. Sie wollte so weit wie möglich fort von Aldungans Turm. Womöglich hatte ja ein Goblin beobachtet, wie sie geflohen war. Wenn sie das Zimmer stürmten, würden die Häscher das Seil finden und sich auf die Suche nach ihr machen.
    Frafa zog den Kopf zwischen die Schultern und blickte unter gesenkten Lidern misstrauisch umher. Wann immer sie Goblins hörte oder sah, wich sie ihnen aus, bog ab oder wählte eine andere Straße. Einmal kam ihr eine Patrouille entgegen, und Frafa konnte nicht mehr entkommen, ohne dass es verdächtig gewirkt hätte.
    Sie machte sich so klein wie möglich und zog sich in einen Hauseingang zurück. Sie wünschte sich einen Kapuzenmantel, denn Nachtalben waren nicht mehr wohlgelitten in der Stadt. Ein Goblin sah sie an und zeigte seine Zähne, aber der Unteroffizier an der Spitze brüllte, und die Goblins zogen weiter.
    Immer wieder spürte Frafa die Anwesenheit von Gnomen. Die kleinen Geschöpfe waren überall, unsichtbar, winzig wie die Insekten. Sie verbargen sich in Mauerspalten, beobachteten und lauschten. Nur Nachtalben konnten ihre Aura spüren.
    Frafa fühlte sich beobachtet und verfolgt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Verfolger ihre Spur aufnahmen. Sie brauchte einen Unterschlupf!
    Sie legte beide Hände auf Balgir, den sie wieder auf den Schultern trug, und drückte ihn ein wenig. Seine lebendige Gegenwart schenkte ihr Zuversicht. Sie zitterte, denn sie trug nur ein dünnes Hauskleid, und die Luft war kalt. Es war Winter, doch zum ersten Mal seit zwölf Jahren regnete es zu dieser Jahreszeit nicht, und Frafa war froh darüber.
    »Mutter«, murmelte sie.
    Es gab Gerüchte. Ihre Mutter sollte wieder in der Stadt sein. Schon seit vielen Jahren, seit der Krieg im Westen zum Erliegen gekommen war. Dann und wann hatte ein Alb es ihr gegenüber erwähnt, als müsste es für Frafa von Bedeutung sein. Aber sie war nie auf den Gedanken gekommen, ihre Mutter zu besuchen. Wozu auch?
    Swankar hatte sie vor vierzehn Jahren loswerden wollen und bei Daugrula im Palast abgegeben. Als Daugrula sie an Meister Aldungan weitergereicht hatte, war ihrer Mutter das auch gleichgültig gewesen. Also hatte Frafa mit ihr ebenfalls nichts mehr zu schaffen.
    Aber wohin sollte sie sich sonst wenden?
    Frafa wühlte aus ihrem Gedächtnis hervor, was sie wusste. Sie suchte den Stadtteil und die Straße und ein Gebäude, das auf die Beschreibungen passte. Sie fragte schüchtern nach dem Weg und stand schließlich vor einer kleinen Pforte in einer grauen Hausfassade ohne Fenster.
    Zaghaft klopfte sie an.
    Ein Goblin stieß die Tür auf. Frafa taumelte zurück und stolperte die beiden Stufen hinunter, die von der Straße zu der Tür hochführten. »Ich, ich …«, stotterte sie.
    War sie hier falsch? Hatten die Goblins auch schon das Haus ihrer Mutter gestürmt?
    Der Goblin sah auf sie hinab. Er trug einen Brustpanzer aus gehärtetem Leder und hielt die Klauenhand auf dem Schwertgriff. »Was willst du?«, knurrte er Frafa an. »Bratechse verkaufen?«
    Balgir zischte.
    »Swankar …«, stammelte Frafa.
    »Willst die Herrin besuchen, Pfannkuchengesicht?«, erwiderte der Goblin. »Kenn dich aber nicht. Kann ja jeder kommen. Gibt zu viel Bettelpack unter den Nachtalben, heutzutag.«
    »Ich bin Frafa«, sagte Frafa. »Ich bin ihre Tochter.«
    »Hab dich nie hier gesehen«, sagte der Goblin. »Eingeladen bist du nicht.« Er kniff misstrauisch die Augen zusammen. Dann trat er einen Schritt vor und schloss die Hand um Frafas Arm. »Was soll’s«, knurrte er. »Soll die Herrin entscheiden.«
    Balgir schnappte nach ihm. Der Goblin packte die Echse mit der Linken am Hals, rupfte sie Frafa von der Schulter und ließ sie aufs Pflaster klatschen. Dann zerrte er Frafa mit sich ins Haus, schob sie weiter in den Flur. Ein anderer Goblin nahm sie dort in Empfang.
    Krachend fiel die Tür ins Schloss.
    »Herrin übt«, sagte der zweite Goblin. Er zog Frafa über unbeleuchtete Korridore hinter sich her, bis sie zu einer großen Halle gelangten. Sie war fensterlos und so hoch wie zwei Stockwerke. Zwei einsame Kerzen blakten in Nischen an den

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