Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
wich zurück. Der Stahl wippte dicht vor ihrer Kehle. »Ich glaube auch nicht, dass du mir für Übungen taugst«, sagte Swankar. »Oder dass du überhaupt ein Talent hast, hier etwas zu lernen.«
Sie ließ den Degen sinken. »Aber meinetwegen, ich kann dich ein paar Tage durchfüttern. Die Fei hat viele neue Pflanzungen angelegt vor der Stadt. Wer auch immer am Ende herrschen wird, irgendwann wird er sich darum kümmern müssen. Mit deinen Fähigkeiten kommst du sicher irgendwo als Gartenpflegerin unter, wenn die Lage sich beruhigt hat.«
Der junge Vampir schleppte sich an ihnen vorbei nach draußen. Frafa trat einen Schritt zur Seite.
»Lass dir von Rudrogeit eine Kammer zeigen«, sagte Swankar. »Wo du dich verkriechen kannst.«
»Nein danke«, erwiderte Frafa. Ihre Stimme klang rau, und sie räusperte sich. »Ich denke, ich komme auch ohne deine Hilfe zurecht.«
Ihre Mutter zuckte die Achseln. »Mir soll’s recht sein. Aber glaub nicht, dass du mich beeindrucken kannst, wenn du jetzt ein bisschen Stärke zeigst. Wer mit fast zwanzig Jahresläufen noch zu seiner Mutter rennt, wenn’s mal was rauer wird, der hat eindeutig zu viel zartes Elfenblut abbekommen.«
Frafa wandte sich grußlos um und marschierte den Korridor zurück, durch den sie gekommen war. Von dem Goblin, der sie gebracht hatte, war nichts mehr zu sehen.
»Rudrogeit«, hörte sie ihre Mutter rufen. »Schick mir einen neuen Partner zum Fechten. Vielleicht ein paar von den Affengesichtern. Die werden fett und faul, seit wir hier in der Stadt auf unserem Arsch sitzen!«
Die Stimme verklang hinter ihr. Sie fand die beiden Torwächter wieder in einer Nische beim Eingang. Sie saßen dort an einem kleinen Tisch und wetteten, wer von ihnen am längsten die Hand über eine Kerzenflamme halten konnte. Frafa stapfte an ihnen vorüber, ohne innezuhalten, schob den Riegel zurück und trat auf die Straße.
Kälte schlug ihr entgegen. Frafa griff nach dem Kragen ihres Kleides, aber er ließ sich nicht hochschlagen. Also zog sie das ganze dünne Kleidungsstück ein wenig weiter am Hals hinauf, eine sinnlose Geste. Sie schritt die Stufen hinab.
Balgir tauchte aus dem Schatten der Hauswand auf. Er kletterte an der Mauer neben der Treppe empor, bis er nur noch mit den Hinterbeinen auf dem Boden stand. Kurz hielt er sich mit beiden Vorderfüßen an der obersten Stufe fest, taumelte dann halb aufgerichtet von der Treppe fort und sank nach zwei Schritten vor Frafas Füßen hintenüber. Da lag er auf dem Rücken, eine Klaue auf die Brust gepresst, und spähte mit einem Auge zu ihr hoch. Dann durchlief ihn ein Zittern, er streckte alle viere von sich und lag steif ausgestreckt da.
»Balgir!«
Eilig hob Frafa das Taschentier auf. Balgir war starr wie ein Brett. Der lange Schwanz stand gerade vom Leib ab. War die Echse etwa steif gefroren?
»Was hast du?«, fragte Frafa besorgt. Sie drückte das Tier an ihre Brust, um es zu wärmen. Balgir fühlte sich wirklich eisig kalt an, und Frafa fröstelte. Sie konnte selbst kaum Wärme geben. Aber sie hörte Balgirs Herz schlagen und spürte seine lebende Aura. Sie brauchte dringend einen Unterschlupf.
Neben dem Haus mündete eine schmale Seitengasse in die Hauptstraße. Frafa sah dort eine Bewegung. Sie drückte Balgir fester an sich. Die Echse riss die Augen wieder auf und röchelte erstickt.
Es war Rudrogeit, der Vampir, der verstohlen um die Ecke schaute und Frafa zu sich winkte. Zaghaft trat sie näher.
Rudrogeit sah jung aus, er war fast noch ein Kind und doch schon genauso groß wie sie. Er hatte sich nachlässig einen Mantel übergeworfen. Sein weißes Hemd darunter war gut zu erkennen. Auf der linken Seite war es blutdurchtränkt, und ein dünnes Rinnsal lief ihm über seine Schuhe. Bei jedem Schritt blieben einige dunkle Tropfen auf dem Pflaster zurück.
Frafa schaute entsetzt auf die Wunde und schlug eine Hand vor den Mund. »Leuchmadans Gnade!«, hauchte sie. Sie löste den Griff um Balgir, und die Echse glitt ein Stück hinunter. Sie fing an zu zappeln und hielt sich mit den Klauen an Frafas Schulter fest.
»Vampire sind zäh.« Rudrogeit rang sich ein Lächeln ab. »Es wird heilen.« Er hob den linken Arm und hielt Frafa einen Lederbeutel hin. »Für dich, Schwester«, sagte er. »Mutter hat gute Verbindungen zu den Goblins, und es geht uns nicht schlecht. Das wird dir sicher weiterhelfen.«
Frafa hob den Kopf, sodass ihre Nase in die Luft zeigte. Sie zog die Arme an den Leib. »Nenn mich nicht
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