Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
du den Scharfrichter der Fei harmlos?«
Sie blieben vor einer Tür stehen, die mit gelben Symbolen bedeckt war. Es war dunkel hier, man hörte Wasser tropfen, und es roch modrig. Die Schriftzeichen auf dem fauligen Holz schimmerten matt.
Zwei Nachtalben standen links und rechts der Tür, und sie beäugten die Neuankömmlinge unsicher.
»Der Scharfrichter!« Werzaz stieß zischend die Luft zwischen den Zähnen aus. »Wusste gar nicht, dass der bleiche Aal auch hier sitzt.«
»Allerdings«, sagte Darnamur. »Und viel zu lange habe ich ihn hier ruhig sitzen lassen.«
Mit einem Wink bedeutete er den Wachen, die Tür zu öffnen, und die Alben gehorchten. Immer wieder irrten ihre Blicke dabei ab und spähten den Gang entlang.
»Er hat sich nicht gerührt«, erklärte einer von ihnen. »Wir behalten ihn ständig im Auge.«
Darnamur nickte. Er und Werzaz betraten eine große Zelle. Wie die Tür waren auch die Wände mit Schriftzeichen bedeckt. Ein großer Kreis aus Silber war in den Steinboden eingelassen. Symbole in unterschiedlichen Farben verliefen innerhalb und außerhalb des Silberrings. Sie waren mit Kreide gezeichnet. In einer Ecke der Zelle saß ein Alb auf einem Hocker.
Inmitten des Kreises lag der Scharfrichter. Man hatte ihm die Kutte abgenommen, und der knotige, verkrümmte Leib lag nackt da. Fahlgrüne Haut spannte sich um einen Körper, und die Knochen sahen aus, als seien sie krumm und schief zusammengenagelt worden. Die langen Glieder waren an Ringen im Boden angekettet.
Werzaz hob einen Fuß wie zu einem Tritt. Aber sein Blick blieb auf den magischen Symbolen haften, und er hielt vor dem Bannkreis inne.
Der Nachtalb kam auf sie zu. »Ich erneuere regelmäßig den Bannkreis«, berichtete er. »Und ich habe auch allerhand Erkundigungen eingezogen, nach sämtlichen Zaubern, die Magie unterbinden können. Keiner weiß, was der Scharfrichter für eine Kreatur ist, oder was er für Fähigkeiten besitzt. Aber er hat bislang keine Anstalten gemacht, zu entkommen.«
Darnamur schritt achtlos über die Symbole und trat neben die riesige, dürre Kreatur. Der Scharfrichter schaute ihn aus seinen blassen Augen an. Er regte sich, drehte sich ein wenig zu Darnamur hin. Ein Wimmern drang durch die vernähten Lippen.
Werzaz rührte sich nicht von der Stelle. »Hab gehört, Meister Flachgesicht hier war der Erste, der dir die Treue geschworen hat. Und doch liegt er in Ketten.«
»Geschworen?« Darnamur wandte sich zu Werzaz um. »Wohl kaum. Er hat den Mund zugenäht. Aber am Tag, nachdem ich die Fei erschlagen habe, kam er in den Palast und hat vor mir die Knie gebeugt. Wollte wohl sein altes Amt auch unter den neuen Herren behalten, diese erbärmliche Kreatur.«
Darnamur blickte auf den Scharfrichter hinab. Dann kniete er sich neben dessen Kopf und säuselte leise in das Ohr: »Aber vorher musst du mir noch deine Treue beweisen. Ein kleiner Dienst nur, dann löse ich vielleicht die Ketten. Und lasse dich wieder deiner Arbeit nachgehen. Hörst du mich, Scharfrichter?«
Die Kreatur wand sich in ihren Fesseln. Die Haut scharrte über den Boden, und die Klauenhände klackerten. Wieder drang ein dumpfer Laut aus dem zugenähten Mund.
Darnamur riss sein Messer aus der Scheide und durchtrennte die Naht und ein gutes Stück der Mundwinkel. Eine schlaffe, dicke Zunge zeigte sich dahinter, keine Zähne. Die Wunden bluteten nicht.
»Ich mag es nicht, wenn man mir keine Antwort gibt«, sagte Darnamur. Er betrachtete gebannt sein makelloses Knochenmesser. »Hast du überhaupt lebendes Blut in dir, du hässliches Stück Aas?«, fragte er. Sein Blick wanderte zum Scharfrichter zurück.
›Gnade, Herr‹, ertönte eine Stimme. Sie klang hohl und dumpf und schien sich in der Luft selbst zu bilden. ›Es steht mir nicht zu, die Stimme zu erheben.‹
»Du hast mir zu antworten«, erwiderte Darnamur. »Denn ich bin tatsächlich dein Herr!«
›Ich bin nur ein Diener‹, sagte die Stimme. ›Seit vielen Tausend Jahren diene ich den Herren von Daugazburg. Ich bringe ihre Feinde fort. Ich bin nur eine Waffe, ein Werkzeug. Ich tue, was man mir sagt. Ich selber sage nie etwas.‹
In einer hilflos anmutenden Geste bewegte der Scharfrichter die Hand und wies in Richtung seines aufgeschnittenen Mundes.
»Das ist gut«, erwiderte Darnamur lächelnd. »Ich habe einen Befehl für dich: Bring Wito zurück! Den Gnom, den du zuletzt in deinen seltsamen Irrgarten geschickt hast. Tu, was ich sage!«
›Das kann ich nicht!‹, tönte die
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