Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
Leuchmadans zehrendem Zauber, gewann ein wenig Abstand und Bewegungsfreiheit.
Doch der Zauber, der auf dem Kästchen lag und der Leben verschlang, war so übermächtig, dass Frafa ihn nicht brechen oder umkehren konnte. Jetzt, wo sie ihn wahrnahm, konnte sie ihm ausweichen – mehr nicht. In der Verbindung mit dem Kästchen war sie blind für die Außenwelt. Selbst wenn sich an dem Sog vorbei ein wenig von der rohen Magie greifen ließ – es gab kein Ziel, wohin Frafa sie lenken konnte!
Aber sie wollte es trotzdem versuchen.
Dem Land Lebenskraft zurückgeben, das hatte Darnamur von ihr verlangt. Frafa tastete mit feinen Fingern ihrer Essenz nach dem Ozean an Leben, den sie in sich und um sich her fühlte. Leuchmadans Bann riss wieder an ihr, zehrte sie aus. Aber Frafa war vorsichtig, und es war nicht so schlimm wie bei der ersten, unvorbereiteten Verschmelzung.
Behutsam streckte Frafa ihre Geistfinger aus. Sie wand sie um die Strudel herum, streifte schmerzhaft daran und wich aus. Und dann griff sie in den Ozean aus Macht, riss Spritzer davon heraus, wie ein Kind, das mit bloßen Händen im Meer plantscht.
Macht schoss in einem wilden Strahl empor und verlor sich in einem ungerichteten Schwall irgendwo in der Wirklichkeit. Frafa wurde mitgerissen. Die Essenz prallte gegen den Körper zurück, in dem sie verankert war. Frafa taumelte nach hinten, weg von Tisch und Kästchen, und sie sank zu Boden.
Ihr wurde schwarz vor Augen.
Darnamur schaute auf die Nachtalbe, die vor ihm auf dem Boden lag. Eben dachte er darüber nach, ob sein Versuch wohl gescheitert war und er sich eine andere Möglichkeit überlegen musste, da schlug sie die Augen auf. Sie bewegte die Lippen, aber ihre Stimme klang so undeutlich, als hätte sie statt der Zunge ein Kissen im Mund.
»Was?«, fragte Darnamur.
»Ihr seid noch hier?«, flüsterte die Albe.
»Wieso?«, fragte Darnamur. »Wolltest du mich etwa fortzaubern?«
Die Albe schloss langsam die Lider und öffnete sie wieder. Ansonsten lag sie weiterhin reglos da.
»War so lange fort«, murmelte sie schließlich. »Dachte nicht, dass Ihr wartet. Habt sicher anderes zu tun.«
»Du hast das Kästchen berührt und bist nach hinten gekippt, als hätte dich ein Schlag getroffen«, sagte Darnamur. »So viel Zeit konnte ich grad noch entbehren.«
»Oh«, sagte Frafa.
Darnamur blickte interessiert auf sie hinab. Wenn die Zeit für die Nachtalbe anders verstrichen war, hatte sie womöglich etwas ausrichten können …
»Kannst du das Kästchen beherrschen?«, fragte er. »Oder ist es zu stark für dich?«
»Kann … lernen«, erwiderte Frafa.
Darnamur überlegte kurz. Lieber vertraute er das Kästchen einer Albe an, die nur wenig ausrichten konnte, als einem ihrer Volksgenossen, der weit ehrgeizigere Ziele damit verbinden würde.
»Also gut«, sagte er. Er streckte der Albe die Hand entgegen. »Du hast den Posten. Ich verlasse mich auf dich. Du brauchst wohl ein wenig Ruhe, bevor du einen weiteren Versuch unternimmst.«
Frafa nickte. »Das Kästchen … zehrt«, sagte sie. »Meine Essenz muss sich erholen. Aber es wird leichter gehen beim nächsten Mal.«
Sie ergriff seine Hand und stand wieder auf. »Ich weiß, ich erwarte viel von dir«, sagte Darnamur. »Aber ich vertraue dir. Deine Tante konnte vieles, und du hast ihre Fähigkeiten geerbt.«
Frafa taumelte aus der Kammer. Draußen im Erker wartete Balgir und lief neben ihnen her. Frafa war zu schwach, um ihn zu tragen. Darnamur stützte sie, so gut er konnte. Unterwegs verschloss er alle Zugänge.
Anfangs hatte er Leuchmadans Kästchen bei sich getragen. Aber er war zu dem Schluss gekommen, dass das ursprüngliche Versteck mehr Sicherheit bot. Daugazburg wusste von Leuchmadans Kästchen. In diesem Augenblick war vermutlich jeder Albe, der nicht gerade andere Probleme hatte, begierig darauf. Auch wenn Darnamur sich alle Mühe gab, den Alben andere Probleme zu bereiten.
Die Fei hatte sicher gewusst, wie sie ihren wertvollsten Schatz hüten konnte. Dennoch hatte Darnamur jeden Zutritt zum Turm verboten, damit niemand zufällig auf die geheimen Zugänge stieß.
»Habt Ihr … etwas gespürt?«, fragte Frafa.
»Was sollte ich spüren?«, fragte Darnamur misstrauisch zurück.
»Ich kann die Macht nicht kontrollieren. Ich wollte Leben in die Welt bringen, wie Ihr es gesagt habt. Aber wenn ich mit dem Kästchen in Verbindung stehe, fühle ich die Welt nicht mehr. Ich kann keinen Regen zu den Pflanzungen schicken, keine Lebenskraft
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