Der Tag der roten Nase
vorbeibrausen lassen, und die Schneelandschaft und das inzwischen warm gewordene Auto beruhigten mich ein bisschen. Augenblicksweise, wenn ich nicht zu genau über alles nachdachte, kam es mir sogar so vor, als hätte ich nun auch dieses Durcheinander überstanden, mich wenigstens in gewisser Weise aus der Klemme gezogen.
Und erst als auf der Höhe von Korso die blauen Lichter im Rückspiegel aufblinkten, merkte ich, wie unwahrscheinlich dankbar ich für diese kurze
Atempause gewesen war.
In hohem Tempo näherten sie sich, die nervös zuckenden kalten Lichter, und auch wenn ich versuchte, den Blick auf der Straße und das Auto unter Kontrolle zu halten, so sah ich doch auch ohne gründlichere Spähmaßnahmen, dass es sich nicht um ein isoliertes Lichtphänomen handelte, sondern dass sich unter den Lichtern ein ganz und gar echtes Polizeiauto verbarg.
Ich richtete den Blick wieder nach vorn, und weil in dem Moment gerade nichts anderes als die gerade, von Wald gesäumte Autobahn zu sehen war, auf der sich zumindest nichts zu bewegen schien, das noch langsamer war als ich, wagte ich es, erneut in den Spiegel zu gucken. Da kam sie, die blaue Scheuche, der Unherzschrittmacher oder Herzunschrittmacher, wie auch immer, eine Form der Gefahr jedenfalls, und sie näherte sich in erhabener Einsamkeit auf der linken Spur, weil alle anderen Autos gehorsam auf die rechte Spur auswichen, auf der auch ich fuhr. Dies hatte natürlich die nur allzu verständliche Folge, dass die anderen eben mit mir auf ein und derselben Spur fahren mussten, weshalb sich hinter mir schnell alles staute, und da hatte ich auf einmal wieder doppelt und dreifach Anlass zum Schwitzen und Kopfzerbrechen.
Andererseits wurde es in diesem Stadium allmählich physisch schon unmöglich, noch mehr zu erschrecken. Ich war müde, schlapp, einfach fix und fertig, und was die Angst vordem Erwischtwerden und der damit verbundenen Scham betraf, so ging dieser Angst inzwischen ziemlich die Puste aus.
Und da sie nun einmal mit tausendeinhundert Sachen ankamen, die Polizisten, waren sie im Nu auch fast auf meiner Höhe. Dann bekamen sie jedoch ein Problem, weil sie natürlich irgendwie hinter mich kommen mussten, aber weil sich die Autos da Stoßstange an Stoßstange quetschten, mussten sie abbremsen und sich den Platz an meinen Hacken erst freiblinken. Immerhin drängten sie nicht gleich jemanden von der Straße. Und weil von hinten sofort scharenweise ungeduldige Autofahrer an der Schlange vorbeidrängelten, bildete sich für kurze Zeit eine sonderbare Stauung, die garantiert allerlei Komisches an sich gehabt hätte, wenn man sich in der Situation eine gewisse Empfänglichkeit für Dinge dieser Art bewahrt hätte: Zunächst mussten sie, die Polizisten, also ein paar Meter hinter mir unter Sirenengeheul abbremsen, in dem Versuch, auf meine Spur zu kommen, und gleichzeitig bildete sich hinter ihnen bereits eine Schlange; und als sie endlich ein Lückchen fanden und sich an mich hängten, wo sie es dann blau und rot blinken ließen, trauten sich die Zivilbürger nicht mehr an ihnen vorbei. Vermutlich steckt das tief im Menschen drin, dass man ein Polizeiauto nicht überholt, weil das unweigerlich eine Geldbuße oder Schlimmeres nach sich zieht.
Das führte jedenfalls dazu, dass sie jetzt auf zwei Spuren kamen, die Autos aller Art, und eine Weile machte es den Eindruck, als würde sich niemand so recht trauen, die Angelegenheit in irgendeine Richtung aufzulösen.
Ich war natürlich ebenso ratlos. Also fuhr ich einfach weiter, was letzten Endes sicherlich nicht einmal die schlechtestealler Varianten war, nämlich sich aufs Fahren zu konzentrieren, auf der Straße zu bleiben, weil sich noch immer keinerlei Erleichterung eingestellt hatte, der Fuß wollte ständig unverhältnismäßig stärker aufs Gas treten, als es der Sicherheit entsprach, und dann fing sofort wieder das ganze Auto zu schlittern an. Die Sonne war hinter den Bäumen verschwunden, und es hatte auch wieder angefangen, träge zu schneien, obwohl der Himmel über mir blau war; im Süden sah man allerdings eine große düstere Wolke, deren Rand orange leuchtete wie glühende Lava. Für solche Gedanken fand ich in der Situation die Zeit, ehrlich gesagt murmelte ich es sogar vor mich hin, irgendwie half das, auch wenn niemand da war, mit dem ich reden konnte; Gesellschaft hätte ich allerdings gefunden, wenn ich den Anhaltebefehl der Polizisten befolgt und mit ihnen ein Gespräch angefangen hätte. Auf
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