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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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er hätte flutschen müssen, wenn es gerecht zugegangen wäre; stattdessen hörte ich nur metallisches Quietschen, das in den Zähnen schmerzte, weil die Schlüsselspitze das Blech rund um das Schloss zerkratzte.Hätiläs Tochter war jetzt nur noch wenige Autos entfernt und kam direkt auf mich zu, jedoch plötzlich deutlich weniger aufgebracht wirkend und stumm, was noch beängstigender war. Ich stocherte den Schlüssel ins Schloss. Meine Hände zitterten. Das kalte, schneidende und irgendwie flügelhafte Geräusch, das die bereifte Wagentür von sich gab, lief mir als kaltheißer Schmerz den Rücken rauf und runter und zwischendrin tief ins Gehirn hinein.
    Und erst da, o Gott, o Gott, erst da kam irgendwo auf dem Grund des Verstands ein erhitzter, rosinenartiger kleiner Knödel, so fühlte es sich nun mal an, also dieses kleine Glied dort in den Hinterkopfgefilden kam erst da auf die Idee, mir in Erinnerung zu rufen, dass es die Fahrertür war, die richtige Tür, die linke, also die falsche Tür, die Tür, die nicht aufging, auch wenn man mit dem Schlüssel noch so gut das Schloss traf.
    Mit so großen Schritten wie nur möglich lief ich vorne ums Auto herum. Dann geschah ein Wunder, ja, unter den Umständen, bei all dem Unglück und niederschmetternd gründlichem Schiefgang, war es schon eine Art Wunder, also es geschah ein Wunder und der Schlüssel fand den Weg ins Schloss, die Tür ging auf, und im nächsten Augenblick saß ich im Auto und die Tür war zu und gleich darauf sogar verriegelt, weil ich nach einer halben Sekunde Wundern über das Wunder auf den Gedanken kam, das Knöpfchen, das da aus der Tür ragte, mit einem Schlag zu versenken. Im selben Moment erschien das hochrote Gesicht von Hätiläs Tochter vor der Scheibe, um dumpf etwas zu schreien; ich wagte es nicht, genauer hinzuschauen, sondern wuchtete mich, ohne auf Handbremse, Schaltknüppel und sonstige schmerzhafte Hindernisse zu achten,hinters Steuer und beförderte schlotternd den Schlüssel ins Zündschloss.
    Der menschliche Geist funktioniert vermutlich so, dass in der Not allerlei Sinnloses an die Oberfläche geblubbert kommt, aber beim Schlüsseldrehen konnte ich zwischendurch trotzdem den kurzen, quasi stutzenhaften Gedanken denken, dass, falls ich das alles irgendwann einmal irgendjemandem erzählen sollte, an dieser Stelle etwas stehen müsste wie: Rate mal, ob er ansprang.
    Er sprang nicht an. Ich drehte den Schlüssel im Schloss, aber aus dem Motorraum hörte man nur ein hoffnungsloses Wimmerkeuchen, wobei das ganze Auto ruckte und zitterte. Im Armaturenbrett oder in der Vorderablage oder was es nun mal war, befand sich ein kleines Fach. Die Handvoll Münzen, die zwei Streichhölzer und die aufgebogene Büroklammer darin hüpften und schepperten beim erneuten Versuch, den Wagen in Gang zu bekommen. Aus irgendeinem Grund fiel mir auf, dass es sich bei den Münzen um ausländisches Geld handelte, aber dann war es auch schon vollkommen unmöglich geworden, quasi als Vorwand die Aufmerksamkeit auf solche Zweitrangigkeiten zu richten, weil die Frau nun schon fast auf der Kühlerhaube lag, unmittelbar vor mir, und etwas schrie, was durch die Scheibe zwar schwer zu verstehen war, dank des Tonfalls jedoch keine Missverständnisse aufkommen ließ. Sie war wütend, das war klar, allerdings war sie schwer zu begreifen, ihre Raserei, also warum sie ausgerechnet auf mich losging, dachte sie wirklich, ich wollte ihren Vater übers Ohr hauen, oder war sie einfach so ein Mensch, der immer eine Art Mindestwut an etwas oder jemandem auslassen musste, und falls die letztgenannte Variante zutraf, war eswiederum schwer, ihr irgendwie böse zu sein, man bekam nur Mitleid mit ihr.
    Trotzdem hatte ich es nun mal ins Wageninnere geschafft und wollte nicht hoffen, dass die zwar wild gewordene und groß gewachsene, aber alles in allem doch wohl relativ normale und vernünftige Frau durch die Scheibe kommen würde. Sofort drang natürlich allerhand anderes an die Oberfläche, vor allem dachte ich, dass ich am liebsten einfach von hier fortgehen würde, mich ausklinken und in einem schwarzen, sicheren Zustand der Bewusstlosigkeit verschwinden. Der Motor ruckte und keuchte, und ich drehte immer wieder den Schlüssel hin und her und merkte, dass sich ein stechender, irgendwie elektrischer Geruch im Auto breitmachte. Gleichzeitig wurden die Anlassversuche dünner und schlaffer, es war wohl die Batterie, der die Kraft ausging, ich weiß es nicht, aber es blieb mir

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