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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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kräftiger geworden, womöglich hatte die Flasche ihren Anteil daran, aber ich konnte mir trotzdem nicht helfen: Die schweißige Teigigkeit seiner Pfote löste einen urtümlichen Horrorschauder bei mir aus. Ich fragte mich, ob die Reaktion auch eine Folge davon sein konnte, dass ich bei all dem Ekel trotzdem ein bisschen was Gutes empfunden hatte. Reine Abscheu zu verspüren ist ja schließlich leicht.
    Dann ging ich. Auch das war letztlich ganz leicht. Virtanen kam nicht mit bis zur Tür, spähte aber überraschend mutig um die Flurecke und sagte: »Tschüs, bis bald.« Ich sagte ebenfalls Tschüs. Virtanen wiederholte es noch einmal. Und sie ging danach sogar noch weiter, die seltsame, schlecht riechende Vertraulichkeit in dem schmuddeligen Flur, Wir sehen uns, Und wann, Sobald ich aus dem Büro die nötigen Unterlagen bekommen habe, Alles klar, Nächste Woche vielleicht oder auf jeden Fall bald, Genau, Das geht sonst leicht unter, Eben,Du kannst auch anrufen, wenn es so weit ist, Stimmt, Obwohl ich eigentlich die ganze Zeit hier bin.
    Dann war ich auch schon auf dem Weg. Beim Öffnen der Tür kam mir jedoch noch eine Frage in den Sinn, ich musste mich noch einmal umdrehen und sie stellen, ich hoffte nur, dabei nicht, wie soll man das sagen, aus kulturellem Instinkt in eine columboartige Krümmung mit Augendefekt zu geraten. Von Virtanen war schwer zu sagen, was er in dem Moment hoffte, weil man von ihm nur einen Streifen Schulter und die glänzende Frucht seines Trinkerkopfes sah.
    »Ach ja«, sagte ich. »Eine Frage noch. Was mögen Sie eigentlich ganz besonders? Also du.«
    Sein im Halbdunkel schwebender Kopf zog das Überlegen schweißtreibend in die Länge. Ich hörte seinen schweren, rudernden Atem und aus dem Treppenhaus ein hartnäckiges, langsames Klacken.
    »Alkohol«, sagte Virtanen schließlich mit matter Stimme, es klang, als würde ihm die eigene Ehrlichkeit und vielleicht noch manch anderes die Tränen in die Augen treiben. Ich weiß nicht, ob es so war. Bei mir war es so.
    »Gut«, gelang es mir zu flüstern und obendrein ein bisschen wortlosen guten Willen und allgemeine Zuversicht in den Flur zu schicken. Dann hielt ich es schlicht und einfach nicht länger aus und öffnete die Tür, schloss sie hinter mir und ging die Treppe hinunter. Dort wäre ich fast gegen eine wacholderstrauchartig gekrümmte, mit Stock ausgerüstete Oma geprallt, die im Grunde fast die gleiche Kleidung trug wie ich, bloß kleiner und von den Farben her blasser; das ganze Wesen hatte vermutlich im Lauf der Jahre an Farbe verloren, außer in den Augen, die klein waren, stechend, schwarz und fordernd,solche, die darauf warteten, dass etwas passierte, worauf sie schon lange gelauert hatten. Man brauchte keine ausgeprägten hellseherischen Fähigkeiten, um zu kombinieren, dass sie auf dem Weg zu Virtanen war und eine Strom- oder Rohrbelästigung für ihn auf Lager hatte, für den armen Virtanen, dem ich selbst sicher schon mehr als genug zugesetzt hatte, für diesen Tag.
    »Rufen Sie die Wartungsfirma an«, sagte ich und sauste die Treppe hinunter.

II

Die Tage stapften vor sich hin, wie sie es tun, wenn das Leben einigermaßen im Lot ist. Natürlich hatten sie nichts Denkwürdiges an sich, die Tage, fast unmerklich schob sich einer am anderen vorbei, seit langer Zeit brauchte ich auf ebendiese nicht zu achten, sie lief wie von selbst neben dem mürbe gewordenen Leben her. Es war ein bisschen wie früher, wenn nach den Sommerferien das neue Schuljahr anfing: Man war gespannt und konnte es kaum erwarten, und gleichzeitig bedrückte einen das Bewusstsein, dass viel Arbeit auf einen zukam.
    Der Herbst machte Fortschritte, ein Blatt nach dem anderen fiel herab, nachts raschelte das Laub in den Hofecken. Die Wohnung war sauber, der Körper gut genährt, auf dem Markt wurde gehandelt, hin und wieder rief mein Sohn an. Etwas brannte ihm unter den Nägeln, aber ich legte immer auf, bevor er zur Sache kam.
    Einmal fuhr ich nach Kerava, ging diesmal aber in ein anderes Haus, zu Übungszwecken sozusagen. Die letzte Tour, als ich bei den Jalkanens gelandet war, hatte mich vor einem weiteren Besuch bei Irja zurückschrecken lassen; ich hatte das Gefühl, mich auf den nächsten Besuch bei ihr erst vorbereiten zu müssen.
    Eine kleine, runde, aber durchaus sportliche Frau im Jogginganzug war es, bei der ich läutete, Koiranen mit Namen,vielleicht etwas jünger als ich, ein kompakter Energieriegel. Es wurde ein angenehmer, sympathischer

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