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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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später.« Die Aussicht wurde mir allmählich vertraut. In Kumpula riss der Wind einen Schwarm gelber Blätter aus einem Ahorn, sie sahen aus wie hilflose Kanarienvögel. Auf der Autobahn wurde am Asphalt gefräst, es gab Spurrinnen und Löcher, es flimmerte und schwappte nur so vor den Augen.
    In Kerava war das Wetter etwas freundlicher, weil nicht ständig in nächster Nähe das Meer zeterte. Ich stieg aus dem Bus, blieb eine Weile auf dem Platz vor dem Busbahnhof stehen und betrachtete das Geflatter aus Blättern, Tauben und Menschen. Wäre ich Raucherin, hätte ich eine geraucht. Hättemich auf eine Bank gesetzt und geraucht. Ich setzte mich nicht, ich rauchte nicht, sondern stand wie ein Gartenzwerg neben einem Blumentrog aus Beton. Die Pflanzen hatte der Herbst längst kahl gerupft.
    Lange konnte ich so nicht verweilen. Ich schob mich zwischen Familien, Einsamen, Teenagern und sonstiger Menschenfülle hindurch und ging in Richtung der Geschäfte.
    Eine Zeitlang zog ich durch die Straßen. Hier und da stand ein Shoppingkoloss, und schließlich saugte mich einer von ihnen in seinen Windfang. Geruchsspuren von Waschmittel, Plastik, Hamburgern, mantelweise eingeschleppter Frischluft und Hautcreme wehten mir entgegen. Ich schloss mich dem Menschenstrom an, der zu den Läden im Inneren drängte. Die meisten Leute steuerten den Supermarkt im Erdgeschoss an, ich landete auf der Rolltreppe und im ersten Stock, wo kleinere Geschäfte untergebracht waren. Lange musste ich nicht gehen, bis ich fand, was ich suchte. Es war so etwas wie ein Spezialgeschäft, und alle Verkaufsartikel schien der Umstand zu verbinden, dass sich für ihre Existenz nicht unbedingt vernünftige Gründe anführen ließen, jedenfalls nicht zu diesen Preisen. Da gab es Zierkissen, Lampenschirme, vielfältige Basteleien zum Aufhängen, Kerzen, Lampions, Süßigkeiten, Seife, in Form gebogenes Peddigrohr und sonstiges Gewurzel, das man auf den Tisch legen konnte; eigentlich so ziemlich alles, womit man die hässliche Welt ein bisschen verschönern oder verzieren konnte. Es hatte sogar einen leicht selbstironischen Namen, Spieluhr oder Mobile, oder hieß es am Ende gar Krimskrams, ich erinnere mich nicht genau, aber der Unterton, der mitschwang, besagte jedenfalls: Wir Frauen sind vielleicht ab und zu ein bisschen albern, aber das ist nun mal alles so entzückend.
    Mein Sohn hätte über Geschäfte dieser Sorte wahrscheinlich gesagt, da gehen Männer nur unter Zwang oder als Teil eines Paars hinein.
    Ich trödelte fünf Minuten zwischen den Regalen und vor unterschiedlichen Auftürmungen herum, mit schief gelegtem Kopf, was sich fast zwangsläufig ergibt, wenn die Ware so absolut vielförmig ist. Ich fand schnell, was ich brauchte, oder genauer gesagt begriff ich schnell, dass ich etwas ganz Bestimmtes brauchte. Mit den Sachen unterm Arm schlug ich den Weg zur Kasse ein, alles in allem herrschte eine stille Pirschatmosphäre. Die Glaswand pufferte die Einkaufszentrumsgeräusche ab, im Laden selbst befanden sich nur eine Handvoll einsamer Frauen und ein Duo, das sich, nachdem es etwas unwiderstehlich Reizendes gefunden hatte, auch nur flüsternd in Begeisterung auszubrechen traute. Die kleinen Lautsprecher an der Decke wisperten so leise, dass man unmöglich sagen konnte, ob gerade ein Wortbeitrag im Radio oder klassische Musik von der Platte lief.
    Ich schlich zur Kasse und erledigte meine Angelegenheit bei einer Frau, die sich bewegte wie eine ehemalige Schönheitskönigin und dabei lächelte wie ein Killer. »Sind Sie Stammkundin?«, fragten ihre Lippen beinah widerwillig, obwohl sie garantiert wusste, dass ich keine war. Ich schüttelte den Kopf, steckte die winzige Plastiktüte raschelnd in meine Handtasche und ging. Es ärgerte mich, dass ich nicht zum Kontern fähig gewesen war, es ärgerte mich so sehr, dass ich nicht einmal richtig merkte, wie ich einige Meter neben der Kasse stehen blieb, um in kleinen rosa Zierkissen zu stochern, die in einer Kiste am Weg zum Ausgang standen. Die Kissen interessierten mich nicht, sie waren schweinchenrosa unddurch und durch dämlich, aber ich war plötzlich in eine diffuse Düsterkeit abgeglitten, und wie ich da so den Finger in ein Kissen stieß, blieb für einen Moment ein Abdruck in der straffen Oberfläche zurück, der genau so aussah wie, na ja, die mittlere Zone eines Katzenhinterns.
    Ich musste grinsen, aber dann schämte ich mich auch schon für mein kindisches Verhalten, ich musste aufhören,

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