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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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dass ich Virtanen heiße. Wenn ich auch kein Hausmeister bin.«
    Ich merkte, dass ich Virtanen, der immer mehr so aussah, als wäre er bei einem Schabernack erwischt worden, leicht schief anguckte. Wieder konnte ich nur »Ahaa« sagen, mit drei A, aber Virtanen schien es mir nicht übel zu nehmen, sondern redete einfach weiter und führte im Grunde sein eigenes Gespräch, wohlwollend unterstützt durch einige Rückpässe von mir, Besser man beschwert sich gar nicht erst darüber, Stimmt, Bloß dass einem die Omas in den Ohren liegen, Mhm, Meistens hat es mit den Rohren zu tun, Richtig, Mit dem Abfluss, Von denen gibt es ja genug, Oder mit dem Strom, Von dem natürlich auch, Gottverdammt noch mal, Verzeihung wie bitte, Nein Entschuldigung, Schon gut, Aber ab und zu geht es einem schon auf die Nerven, Klar, Wenn sie ständig vor der Tür stehen, Furchtbar so was, Ist es auch, Eben, Wo sie dann doch praktisch ihre ganze Hoffnung in mich setzen, Genau, Und ich dann doch nicht helfen kann.
    Wieder sagte ich »eben«, ich weiß nicht warum, am liebsten hätte ich weiß Gott was für einen Unsinn ausgespuckt, da es nun einmal auf beiden Seiten lief. Aber dann ließ der Brandmelder wieder sein Blip fallen wie einen kalten Tropfen, und wir mussten beide zuerst zur Decke schauen und dann auf unseren jeweiligen Gesprächspartner und dann lachen; bei Virtanen blieb das Lachen dann sozusagen weiter eingeschaltet, wie es bei Leuten mit Kater bisweilen der Fall ist, undplötzlich fiel es ihm sichtlich schwer, das Kichern im Zaum zu halten.
    »Und dabei bist du bloß ein gewöhnlicher Virtanen wie Hinz und Kunz«, sagte ich.
    Ich weiß nicht, wo er eigentlich herkam, der Lachreiz, das spezielle Bläschen, aber der Lachdrang stellte sich ein, bei mir zum Glück weniger, bei Virtanen ziemlich massiv. Ich sah ihn an, seine Augen quollen hervor und auf der Stirn zuckte eine Ader, es war eigentlich nicht zum Hinschauen, er hatte seinen Spaß und zugleich seine liebe Not, und dann musste auch ich losprusten, sodass ich die Augen in Richtung Hof verrenken musste, dort allerdings passierte nichts, ich versuchte nur an etwas zu denken, an irgendetwas, woraus jedoch auch nichts wurde. Infolge der Anstrengung brachte ich die Hysteriesymptome zwar nicht ganz zum Verschwinden, drängte sie aber doch wenigstens etwas tiefer in die Röhre zurück.
    Plötzlich stand Virtanen dann aber auf, reckte sich mit einem überlangen Schritt zum Kühlschrank und beförderte sich mit einem verblüffenden Schwung auf einem Bein sofort wieder in die Sitzposition zurück; in den zwei Sekunden hatte sich nichts Wesentliches geändert, abgesehen von der braunen Flasche, die in seiner Hand aufgetaucht war.
    »Furchtbarer Zustand«, sagte er und bat um Entschuldigung mit einem Lächeln, das eine ganze Reihe von Mängeln im Bereich der Mundhygiene offenbarte. »Hoffentlich macht das nichts.«
    Ich antwortete nicht, schüttelte nur den Kopf und lächelte entweder oder hatte möglicherweise die ganze Zeit schon gelächelt. Es war schön, bei diesem furchtbaren Mann zu sitzen und sich mit unnützem Zeug zu beschäftigen. Zwischen unsherrschte eine Art Einverständnis: In dem Moment spielte eigentlich nichts eine Rolle, auch wenn ich bei Virtanen womöglich einen größeren Streifen Hoffnungslosigkeit sah als er bei mir. Und als er dann noch sagte, der Hausmeister sei übrigens nicht durch Aussterben ums Leben gekommen, sondern durch Asbest, lächelte ich nur noch mehr, die Wangen taten mir schon weh von dem Gelächle, aber dann tropfte wieder ein einsames Blip von der Decke und bot mir die Gelegenheit, die Lächelbögen von den Wangen zu räumen, in die Höhe zu blicken und zu sagen: »Da muss die Batterie gewechselt werden.«
    Er sagte, auch das sei ihm bewusst, und meinte dann wieder auf seine sowohl um Entschuldigung bittende wie ungezogene Art: »Da werde ich wohl mal einen Monteur rufen müssen.«
    Darauf schwiegen wir eine Weile, es gab nichts zu sagen und auch keinen Bedarf. Vor dem Haus tauchte in dem Moment dermaßen symptomatisch das Fahrzeug einer Wartungsfirma auf, dass ich am liebsten eine Bemerkung gemacht hätte, aber als ich in Virtanens Richtung schaute, schien er es bereits in den Schutzhafen des ersten Schlucks geschafft zu haben, er zeigte einen ungrammatikalisch verträumten Blick, und ich mochte ihn nicht gleich wieder in die Welt zurückholen. Ein gelangweilt wirkender, magerer Monteur schlurfte in übergroßem, mit Schlüsseln und anderen schweren

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