Der Tag der roten Nase
versuchen, anderswo hinzuschauen als auf die Kissen, die von jetzt auf gleich ungeheuer frivol geworden waren. Als ich dann schließlich aufblickte, hätte ich vor Schreck beinahe meine Zunge verschluckt.
Drei Meter vor mir stand Mari – Mari Jalkanen, jene Mari Jalkanen aus Kerava.
Natürlich empand ich das nicht mehr als allzu erstaunlichen Zufall, weil mir ja bewusst war, dass ich in Kerava war, aber aus irgendeinem Grund zuckte ich zusammen. Ich ging in die Hocke, um nicht vorhandene Schnürsenkel zu binden, und schickte Bittgebete gen Himmel, sie möge nicht ausgerechnet in meine Richtung gucken, die Mari Jalkanen. Sie hatte anderswo hingesehen, meinte ich mich zu erinnern, hatte mit kritischem Blick eine lange, spitz zulaufende und wacklig aussehende Vase hin- und hergedreht.
In einem Regal waren Badetücher in vielen Grüntönen gestapelt. Aus der Hocke heraus befingerte ich ihre Ränder und hoffte, den Eindruck zu erwecken, als versetzten mich die Textilien in Ekstase. So ungewöhnlich ist das ja wohl nicht. Da ich nicht den Mut hatte, allzu lange so zu knien und physisch dazu auch gar nicht in der Lage war, bewegte ich mich mit quietschenden Schuhsohlen im Entengang weiter und spähte um die Ecke. In direkter Sichtlinie war niemand außer derFrau hinter der Kasse; als sie meinen Kopf in einem Meter Höhe hinter dem Regal auftauchen sah, klimperten ihre langen künstlichen Wimpern zweimal langsam, und ihr unangenehmer, freudloser Mund klappte auf.
Es war jedoch nicht möglich, sich mit dem einsetzenden Gackern auseinanderzusetzen, weil ich ja noch die junge Frau Jalkanen orten musste. Es dauerte eine Weile, bis ich sie ganz hinten im Laden entdeckte, in ziemlich sicherer Entfernung, beim Wühlen in den Sonderangeboten. Ich stand auf, lächelte der Frau an der Kasse aufmunternd zu, hielt meine Handtasche und schüttelte sie und verließ das Geschäft so würdevoll, wie es in einem Zustand möglich ist, in dem man am liebsten einfach nur rennen möchte.
Ich nahm die Rolltreppe und lief dann ohne mich umzublicken in den Nieselregen hinaus.
Ich marschierte den ganzen Weg, mit kalten Füßen und nass vom Sprühregen, den Kopf voller erhitzter Gedanken. Nirgendwo fand ich Halt, am liebsten hätte ich mich in ein Café gesetzt und den übermäßigen Dampf abgelassen. Ein Café fand ich nicht, und Kaffee konnte ich auch am Ziel bekommen, aber auf halbem Weg stieß ich auf einen Supermarkt, der kurz davor war, den Betrieb einzustellen, es gab Schlussverkauf mit Sonderangeboten und gähnend leeren Regalen. Dort gelang es mir, einen zum Schlürfen gedachten Joghurt als Proviant ausfindig zu machen, für alle Fälle, denn mein Frühstück lag schon eine Weile zurück, die Beine fühlten sich stellenweise bereits weich an, und dünne, dunkle Bewölkung schlich sich in den Blick.
Als ich das Häuserareal erreichte, das mein Ziel war, musste ich mich an der inzwischen schon fast vertrauten Kiefer abstützen,kurz durchatmen und die Stirn abtrocknen. Schließlich ging ich auf das Haus zu. Jenseits des Parkplatzes wirbelte der Hausmeister mit einem lauten Gebläse tote Blätter auf und sozusagen vorwärts, er trieb sie vor sich her, wohin genau, war schwer zu sagen. Aus Eingang B kam ein älterer Mann mit Schirmmütze auf der Krone und kleinem Hund an der Leine, der ein lustiges rotes Band am Schwanzstummel trug. Er schien darauf irgendwie stolz zu sein, der Hund. Rasch waren die beiden mit wippender Mütze und wippendem Stummelschwanz hinter den Autos verschwunden.
Auf der Rückseite des Hauses machte ich vorsichtig einen kleinen Umweg über den Rand des Rasens und blickte auf die Fenster im dritten Stock. Am Küchenfenster der Familie Jokipaltio huschte ein Schatten vorbei.
Ich eilte ins Treppenhaus. Es roch nach Essen, wonach genau, war unmöglich zu sagen, aber es war Hausmannskost, daran bestand kein Zweifel, was immer das Zusammengemengte auch beinhalten mochte. Ich ging die Treppe hinauf und fand mich trödelnd im ersten Stock wieder. Etwas ließ mich zögern. Andererseits hatte ich ja ein Geschenk in Aussicht gestellt, wenn auch nicht unbedingt Irja, die hatte danach nicht einmal gefragt, aber sie verdiente trotzdem eine Belohnung. Mir wurde heiß. Hinter der nächsten Tür, Jerkoff stand darauf, rumpelte eine Waschmaschine, es klang, als würde sie jeden Moment auf eigene Faust herauskommen.
Ich stieg weiter nach oben.
Vor der Tür der Jokipaltios war es mir dann unmöglich zu klingeln, sosehr ich mir auch
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